Die folgenden Seiten sind ein tagebuchartiger Bericht über eine angeordnete Maßnahme, die den Titel „Perspektive 50 plus“ trägt, die im Kreis Neuwied in einer Westerwälder Gemeinde aus meiner subjektiven Sicht sich wie folgt zugetragen hat:
Montag, den 14.Juli 2008
Einer Einladung meines Fallmanagers folgend begebe ich mich pünktlichst zum Ersttermin, wo mir die Maßnahme (Träger ist die Arbeiterwohlfahrt, kurz AWO ) unterbreitet werden soll. Wissend und daher ein wenig vorbelastet, was mich erwarten könnte, trete ich dem Leiter der Maßnahme entsprechend skeptisch gegenüber. Es folgt natürlich somit genau dieses erwartete Prozedere über die Errungenschaft dieser Maßnahme, und die erfolgversprechende Haltung. Er meint dies selbstverständlich aus seiner Sicht auch gut. Ich entschließe mich, die Maßnahme zunächst einmal zu beginnen, vielleicht auch deshalb, weil er mir im Verlaufe des Gespräches zumindest in Aussicht stellt, vermittelnd seine Kontakte als Musiker „einfließen“ zu lassen, weil ich ihm über meine beruflichen Erfahrungen vom „auf Tour sein“ als Bühnentechniker erzähle.
Montag, den 21.Juli 2008
Die Maßnahme beginnt zögerlich mit der Vorstellung über deren Inhalt seitens des Maßnahmeleiters. Nun wünschen, sowohl der Leiter der ARGE, als auch die initiierende Sachbearbeiterin, dem ersten Kurs im Kreis Neuwied viel Erfolg. Dabei wird nicht außer acht gelassen, den ursprünglichen Politiker namentlich betont zu erwähnen, der diese ins Leben gerufen hat: Herrn Müntefering. Daß dies bereits vor vier Jahren geschehen war, wird nicht gesagt- die „verfehlte“ Arbeitsmarktpolitik erhält dadurch ohnehin keinen Zugewinn. Und natürlich wird genau dies „angeboten“, was ich bereits weiß: Auffrischungskenntnisse in Excel, Bewerbungskorrekturen und Coaching sowie das Klingelputzen seitens des Leiters. Alles gut gemeint, hilft bestimmt dem einen oder anderen, wird aber aller Wahrscheinlichkeit nach den „Markt“ nicht beeindrucken. Die über 50 Jährigen werden auch weiterhin dadurch weder jünger noch attraktiver.
Dienstag, den 22.Juli 2008
Der junge Dozent für die PC-Probleme stellt sich vor. Erwartungsgemäß entdeckt er in meinem vorgelegten Lebenslauf genau die Punkte, die ich eh schon beabsichtigt hatte, ziemlich genau so zu verändern, wie er es mir vorschlägt. In so weit ist seine Kompetenz bis dahin berechtigt.
Mittwoch, den 23. Juli 2008
Der große Aha-Effekt tritt ein. Der Jungdozent gibt uns Aufgaben in Excel, völlig berufsfremd, damit wir „beschäftigt“ sind, bis nächsten Dienstag. Eine wirkliche, fachliche Hilfe gibt es während dieser Zeit nicht. Ich bemühe mich trotzdem recht gut, wissend, dass dies letztlich nicht viel bringen wird. Auch sollen wir ein Bewerbungsanschreiben zum nächsten mal mitbringen. Ich ahne „Formulierungs-Auseinandersetzungen“- meine „individuelle“ Art zu schreiben ist mein Markenzeichen, was mir auch dieser Dozent nicht nehmen wird.
Donnerstag, den 24.Juli 2008
Wir begeben uns an die Übungen, die ich fast sämtlich heute erledige, mich über deren Inhalte ärgernd. Vor allem, weil keine Rückfragen gestellt werden können. Meine Wut, was den Sinn dieser Maßnahme ausmachen soll, wächst zunehmend. Auch beobachte ich verschiedene, ähnliche Reaktionen im Kurs, neben denjenigen, die eh schon „aufgegeben“ haben.
Freitag, den 25. Juli 2008
Schleppend verbringe ich den Tag, die restlichen zwei Excel-Übungen werden mangels Formeln, die von keinem aus dem Kurs gefunden werden, daher nicht erledigt.
Am Ende erfolgt eine Rückfrage des Leiters ob der Unklarheiten und eine Reflektion der ersten Maßnahmewoche. Dabei stellt eine große Mehrheit fest, wie groß ihr PC-Unwissen ist. Der Leiter verspricht Nachholbedarf, wobei ich weiß, wie unnötig dies sein wird, wenn man bedenkt, was tatsächlich da draußen im Berufsleben gebraucht wird, unabhängig davon, wie die Arbeitgeberwelt über die über Fünfzigjährigen urteilt und entsprechend ablehnend ihnen gegenüber handelt. Der auf mich „aufgesetzt“ wirkende Optimismus des Leiters steht im krassen Gegensatz zur traurigen Wirklichkeit.
Montag, den 28. Juli 2008
PC-Unwissen wird durch einige im Kurs denjenigen „vermittelt“, die gänzlich ratlos dort sitzen. Immer noch erschließt sich für mich nicht im geringsten, was diese Excel-Übungen tatsächlich bewirken sollen, außer, dass morgen der Dozent feststellen wird, wer Lücken hat und wer firm ist- da draußen auf dem Arbeitsmarkt will das keiner wirklich wissen. Mein Unmut wächst somit, vielleicht auch deshalb, weil ich diese „Bewerbungsmappen“ bei einem Teilnehmer gesehen habe, mit dieser „vorgeschriebenen Art des Bewerbens“- Individualismus ungefragt ? Mich stören diese „aufgesetzten Normen“ aus vielen begründbaren Argumenten.
Dienstag, den 29. Juli 2008
Unser junger, dynamischer EDV-Dozent reagiert erwartungsgemäß. Er kann bei meinem Bewerbungsschreiben, welches ich ihm vorlege, keine Rechtschreibfehler entdecken, dennoch meint er mir mitteilen zu müssen, er würde weder mich zu einem Bewerbungsgespräch einladen geschweige denn einstellen, ihm sei meine Art und Weise mich auszudrücken Anlaß genug, dies so zu beurteilen. Was für eine „vernichtende Anmaßung“, schießt es mir durch den Kopf; es würde schon befremdlich sein, dass die betreffende Firma mich in die engste Auswahl empfahl, teile ich ihm daraufhin mit, und dies obwohl ich, wie anhand des beigefügten Lebenslaufes ersichtbar ist, zum ersten mal mich als „Qualitätsprüfer“ bewerbe. Dieser berechtigte Einwand kann ihn nicht dazu bewegen, sein einmal gefälltes Urteil zu revidieren. Ziemlich pikiert beendet er anschließend den Disput mit der Bemerkung, ich solle meinen Weg „gehen“, er sehe keinen Bedarf, dies zu unterstützen.
Wie schön, dass die Fronten geklärt sind - ich sehe bereits für mich das vorzeitige Ende der Maßnahme, alldieweil gegen Ende der Leiter mit dem Vorschlag kommt, wir könnten doch einen Erste-Hilfe-Auffrischungskurs mitmachen. Beschäftigungstherapie ? Tatsächlich eine Hilfe „zurück ins Arbeitsleben für die über Fünfzigjährigen“ ?
Mittwoch, den 30. Juli 2008
Im rasenden Tempo zeigt der EDV-Dozent der Gruppe einen Teil der Lösungen der Excel-Aufgaben; für unsereins stellt dies kein Problem dar, allerdings für die überwiegende Mehrheit, die sich aber trotzdem kommentarlos fügt. Es folgt ein kurzes, digitales Photographieren für die Bewerbungen. Gegen Mittag erfolgt die neue Aufgabenstellung nach kurzem Crash-Kurs von „PowerPoint“, auch dabei werden schnelle Auffassungsgabe und PC-Kenntnisse rücksichtslos vorausgesetzt. Wir sollen bis nächsten Dienstag ein Hobby präsentieren. Die Hitze im Raum ist weiterhin unerträglich, weil immer noch keine Jalousien für die sonnenüberfluteten Fenster des ohnehin zu überfüllten Raumes angebracht werden.
Wir sollen ja mit „geteilter Gruppe“ einen zweiten Raum erhalten.
Heute ergeben sich gute Gespräche, wobei einmal mehr deutlich wird, mit welchen perfiden Mitteln die ARGEN menschenverachtend eine Wirtschaft „bedient“, was sich in1-Euro-Jobs, diversen Praktika, verschiedenen Maßnahmen und im Billiglohnsektor ablesen lässt. Das sind dann genau die Menschen, die aus der Arbeitslosenstatistik verschwinden, damit die Bundespolitik ihren Weg rechtfertigen kann, um von rückläufigen Arbeitslosenzahlen zu schwafeln.
Donnerstag, den 31. Juli 2008
Schon morgens ist es warm, aber gegen Mittag kippt dies ins Unerträgliche. Mein Nachbar kennt sich mit den gesetzlichen Bestimmungen aus und erzählt uns, dass ab einer Raumtemperatur von 26° C es so kritisch ist, dass das Arbeiten nicht mehr mit der Gesundheit zu vereinbaren ist.
Freitag, den 01. August 2008
Im Laufe des Vormittages wird uns ziemlich schnell klar, dass wir gestern wenigstens einer Raumtemperatur von 30° C ausgesetzt waren, weil es bereits um 11 Uhr messbare 26° C sind. Meine Nachbarin hat ein kitschiges Thermometer mitgebracht.
Heute schaffe ich es, die gestellte Hausaufgabe, eine PowerPoint-Präsentation über mich als Bildhauer, fertig zu stellen. Wir dürfen heute gegen 12:30 Uhr ins Wochenende.
Montag, den 04. August 2008
Es ist ruhiger geworden im Kurs der Fünfzigjährigen, was nicht unbedingt positiv zu bewerten ist, weil lediglich manchmal der Kursleiter herumschwirrt, um ein wenig Smalltalk abzuhalten. Zwar sind drei Kollegen nicht mehr da, und ich erfahre, sie würden ein Praktikum absolvieren. Ich befürchte, dass es nicht in einer Festeinstellung endet und die betreffenden Firmen weiterhin ihre Praktika-Praxis fortsetzen werden, lohnt sich ja auch, weil keine Lohnkosten anfallen, aber Arbeit umsonst vollrichtet wird.
Dienstag, den 05. August 2008
Der PC-Spezialist ist wieder zur Stelle, kündigt an, dass mein Nachbar heute seine Präsentation vorführen soll, was sich als Flop herausstellt. Wir wurden letzte Woche eben nicht darüber informiert, und dementsprechend sind alle Folienübergänge ungünstig eingerichtet. Der Tag verläuft ohne wesentlichen Vorkommnisse, außer, dass meine Nachbarin sich bei mir völlig zurecht beschwert, sie hätte bei einem Vorstellungsgespräch dortigst gegenzeichnen lassen sollen, dass sie bei einer 50plus-Maßnahme teilnimmt. Selbstverständlich weigert sie sich, da dies wiederum ihre eigene Unfähigkeit „unterstreicht“, sich selbstbewusst zu „vertreten“. Diese klare Entscheidung teile ich unbedingt, mich mit ihr darüber mokierend, wie entmündigend doch mit Menschen hier umgegangen wird !
Mittwoch, den 06. August 2008
Mein Nachbarkollege trägt souverän seine Präsentation vor. Der EDV-Dozent lässt den Text seiner eigenen Präsentation austeilen. Er zeigt und erläutert uns etwas über die Grundlagen der Computer, fachliche Unterscheidungen, etc. Wir fragen uns, für was das ganze gut sein soll.
Gegen Ende erhalten wir einen Hinweis, wo unsere Hausaufgabe für nächsten Dienstag abgelegt ist. Niemand hat die Gelegenheit, darüber Fragen zu stellen, weil eben nicht alle computerfirm sind; es verbleibt der üble Nachgeschmack von undurchdachter Vorgehensweise, die letztlich nicht wirklich hilfreich ist.
Donnerstag, den 07. August 2008
Wir versuchen uns an der neuen Aufgabe mit den Flyern, wobei mir auffällt, dass ich weder
einen Satz mit dem Esel voran schreiben werde, im Beispiel beginnt ein Satz mit „ich“, noch
einen Flyer mit dem Schlagwort „Steckbrief“ beginnen werde. Meine Gestaltung wird somit wieder mal dahingehend anecken, dass ich die Vorstellung des EDV-Dozenten, wie es zu tun sei, durchbreche. Damit kann ich aber als individueller Mensch ganz gut leben. Außer dem verzweifelten Versuch seitens des Leiters, den wieder mal streikenden Drucker zu aktivieren, verläuft der Tag recht schnell. Dies allerdings nicht aufgrund des Kurses, sondern weil wir uns angeregt unterhalten.
Freitag, den 08. August 2008
Der „Steckbrief-Flyer“ entpuppt sich als Herausforderung, was die Textfeldmarkierung anbelangt, weil niemand im Kurs herausbekommt, wie dies der EDV-Dozent erstellt hat. Ebenso der Leiter weiß sich keinen Rat nicht mehr. Erneut zeigt sich die mangelhafte Vorgehensweise des Dozenten; wir werden im Unklaren gelassen, und der Lerneffekt ist gleich null.
Montag, den 11. August 2008
An diesem Tag bleibe ich der Maßnahme fern, weil ich meine Tochter zu einer ambulanten OP begleite. Von einer Kollegin erfahre ich abends telephonisch, dass der Leiter ihr mitgeteilt hatte, wir sollen den Flyer einfach kopieren- wo ist denn da der Lerneffekt, frage ich sie? Wir sind uns einig, dass dieser nicht nötig ist, Hauptsache die AWO kann sich mit der Maßnahme „schmücken“, und wir Betroffene fallen aus der Statistik.
Dienstag, den 12. August 2008
Erneutes, frisch-grinsendes Auftreten unseres jung-dynamischen EDV-Dozenten. Außer, dass eine Kollegin ihre Präsentation „wortlos“ vorträgt, ihre künstlerischen Werke sprechen für sich, geschieht nichts Neues für die Gruppe. Die Maßnahme bleibt weiterhin fragwürdig.
Mittwoch, den 13. August 2008
Nicht eine Präsentation findet heute statt. So ist es ebenso nicht weiter verwunderlich, dass unser Jungdozent ankündigt, es gäbe diesmal keine Aufgabe für nächste Woche, und zwar mit der Begründung, es seien ja noch viele nicht mit dem Pensum fertig geworden. Es wirkt alles weiterhin haltlos auf mich.
Donnerstag, den 14. August 2008
Der Leiter des Kurses fragt mich heute wie mein Befinden denn sei und ob mein in Aussicht gestellter Job bald konkrete Formen haben würde. Ich erwidere, dass ich dies noch am Wochenende geklärt haben möchte. Falls dies nicht positiv ausfallen sollte, erinnert er mich an die Möglichkeit eines zweiwöchigen Praktikums, in meinem Fall speziell innerhalb der Veranstaltungsbranche als Bühnentechniker. Ich bejahe dies grundsätzlich, lasse ihn aber wissen, dass mir ein Zeitraum von einem Tage völlig genügt, um zu wissen, ob ich den Aufgaben gewachsen bin, da ich lang genug in diesem Metier gearbeitet habe. Auch betone ich, dass ich ohne Zusicherung zur Festeinstellung ein Praktikum erst gar nicht antreten werde. Er nimmt dies leicht zerknirscht zur Kenntnis, wir würden nächste Woche weitersehen. Ansonsten geschieht heute nichts wesentliches mehr.
Freitag, den 15. August 2008
Weiterhin schleppt sich die Anwesenheit hin, wissend, dass eigentlich unnötige Zeit vergeht, die hier keineswegs sinnvoll genutzt wird. Der Leiter erinnert uns nicht ohne Stolz an den nächste Woche stattfindenden, zweitägigen Erste-Hilfe-Kurs. Meine Meinung dazu sollte bekannt sein.
Montag, den 18. August 2008
Wie in einem Wiederholungsfilm startet die neue Woche, folglich mit dem selben Prozedere der Lethargie, zu wissen, wie unnütz die Maßnahme ist. Außer vieler Gespräche mit meiner Nachbarin tut sich nichts Neues- zumindest vergeht auf diese Weise schneller als sonst die Zeit.
Dienstag, den 19. August 2008
Unser Jungdozent ist heute wieder voller Tatendrang unterwegs. Es werden mehrere Präsentationen vorgeführt, u.a. stelle auch ich mich diesem Thema und zeige die meinige.
Am Ende hinterfragt er, ob wir nochmals in Excel „eintauchen“ sollten, viele im Kurs hätten noch genug Lücken. Er kann es nicht sein lassen, zu betonen, dass zwei, drei Teilnehmer wohl schon firm seien, wobei er mich dabei grinsend namentlich erwähnt. Ob ich noch Ideen oder Vorschläge dazu hätte, fragt er, was ich allerdings lächelnd verneine, wissend, dass dies ohnehin denjenigen, die Excel nicht kennen, nicht viel helfen wird, aus dem einfachen Grund, weil dazu die Zeit nicht ansatzweise ausreicht.
Mittwoch, den 20. August bis einschließlich Freitag, den 22. August 2008
Krankheitsbedingt fehle ich in diesem Zeitraum, so dass ich darüber leider nicht berichten kann.
Montag, den 25. August 2008
Heute stellt sich eine neue Mitarbeiterin vor, nicht nur, weil der Leiter für eine Woche im Urlaub sein wird, sondern auch darüber hinaus. Sie wird uns im Bereich des Bewerbens coachen. Wir stellen uns diesmal, wie sie es vorschlägt, mal anders vor, in dem zugeordnete Partner uns selbst vorstellen und wir wiederum sie/ihn. Soll ein origineller Vorschlag sein, der allerdings nicht so dolle ankommt. Auch heute erlebe ich eine weiterhin berechtigt anhaltende Kritik zur Maßnahme selbst. Wir alle sind weiterhin äußerst skeptisch und lassen dies auch die „Neue“ spüren. Sie nimmt es gelassen und reagiert letztlich ihrer pädagogischen Rolle gerecht werdend, in dem sie auf „positiven Aktionismus“ setzt.
Dienstag, den 26. August 2008
Der EDV-Dozent ist erkrankt, wie wir von der Vertretung erfahren. Sie ist noch sehr jung, selbst ALG-II-Empfängerin und absolviert bei der AWO einen Ein-Euro-Job.
Dabei versucht sie mit Hilfe eines autoritären Tones sich Gehör zu verschaffen. Unmut macht sich breit in der Gruppe, manche lachen sie sogar aus. Pädagogisch betrachtet ist ihr Verhalten ein Eigentor und absolut lächerlich. In der Sache lässt sie dadurch uns spüren, wie die AWO über uns denkt; sie wird letztlich unbewusst deren Sprachohr. Ich werde somit mal wieder bestätigt, was mein Wissen um die Machenschaften der „neuen Helfer-Lobby“ anbelangt.
Mittwoch, den 27. August 2008
Die junge Frau wird heute ziemlich schnell überdeutlich von einem Teilnehmer lautstark zurechtgewiesen, nachdem sie erneut im Befehlston sich vergreift. Der gesamte Kurs bestätigt seine Reaktion als folgerichtig, während sie schockiert den Raum verlässt. Von da ab unterlässt sie es tunlichst, ihren Ton zu wiederholen. Gleichzeitig stellt sie die Behauptung auf, er würde sich des öfteren lautstark beschweren. Wir geben ihm zu verstehen, dass diese Unterstellung bei Bedarf unsererseits geklärt wird, falls ihm dies nachteilig ausgelegt werden soll. Einmal mehr zeigt sich die „Hilflosigkeit“ dieser „staatlichen Verordnung“, die nur eines reell im Sinn hat: die Statistik zu schönen !!!
Donnerstag, den 28. August 2008
Die Bewerbungs-Coacherin ist heute wieder zugegen und gibt der Gruppe eine neue, kostenlose Bewerbungsplattform bekannt, wo wir ein Inserat setzen sollen. Wir üben uns im Textschreiben, uns selbst zu präsentieren. Für die meisten ist dies tatsächlich schwierig. Ich hingegen widme mich bereits nach einer knappen halben Stunde wieder dem Internet und surfe dortigst herum. Sie hinterfragt noch, was denn gestern vorgefallen sei und betont dabei, dass wir, bevor unnötige „Spannungen“ entstehen, mit ihr darüber kommunizieren sollen, nachdem ich ihr sehr deutlich die gestrige Entgleisung des Mädchens geschildert habe.
Freitag, den 29. August 2008
Außer intensiver Gespräche mit meinen unmittelbaren Nachbarn, geschieht heute nichts Bewegendes. Die Bewerbungs-Coacherin versucht zwar „ihre Ordnung“ uns zu vermitteln, in dem sie uns eigens entworfene Exceltabellen mitgibt, die auszufüllen sind mit Informationen über unseren Bewerbungsstand. Längst vergessene Schulgefühle werden geweckt, auch erzeugen diese Tabellen bei manch einem bestimmt das Gefühl der Bevormundung, als ob wir nicht in der Lage wären, uns selbst zu organisieren. Mit Unmut geht es daher ins Wochenende.
Montag, den 01. September bis Dienstag, den 09. September 2008
Krankheitsbedingt fehle ich in diesem Zeitraum. Allerdings habe ich durch den Kontakt zu meinen Nachbarn erfahren dürfen, dass der Kursteilnehmer, der völlig berechtigt sich über die junge Frau beschwert hat, aus dem Kurs genommen wurde. Weitere Hintergründe weiß niemand, da der Leiter dies verschweigt. Wir werden aber dies unbedingt hinterfragen !
An dieser Stelle möchte ich betont wissen, dass „dieses Schweigen“ in keinem Verhältnis zur laxen Haltung mit unseren PC-Daten steht. Denn einige im Kurs können ohne weiteres die Lebensläufe anderer Kursteilnehmer einsehen; somit wird mit Datenschutz seitens der AWO hochgradig schlampig verfahren !
Am Dienstag werden die Frauen des Kurses mit dem AWO-Bus zum Arbeitsamt Neuwied gekarrt, um sich dortigst einem Vortrag über die weltbewegenden Vorur...äh Vorteile der 50plus -Maßnahme anzuhören. Wie ich tags darauf erfahre, entspricht er meiner Vorstellung von der Unsinnigkeit solch undurchdachter Versuche.
Mittwoch, den 10. September 2008
Ins Internet können wir heute nicht, was übrigens gestern bereits der Fall gewesen sein soll, wie ich von meinem Nachbarn erfahre. Dafür erhalte ich mehrere PC-Aufgaben, die mich an Grundschulzeiten erinnern. Weiterhin bestätigt mich der EDV-Dozent dahingehend, wie unsinnig die Maßnahme sich weiterhin gestaltet. Daher nutze ich die Zeit, um meinem Erfindungsgeist freien Lauf zu lassen, in dem ich ein hochpolitisches Märchen entwerfe und per Präsentation gestalte.
Donnerstag, den 11. September 2008
Unsere Coacherin erscheint nicht, aber der Leiter vertritt sie und gibt uns nach der Kaffeepause eine neue Aufgabe. Wir sollen einen Vortrag mit einer Präsentation halten, über die Aufgabenverteilung eines Praktikanten, wenn dieser uns vertreten soll.
Die meisten entscheiden sich für eine Powerpoint-Präsentation. Ansonsten bleibt die Stimmung angespannt, in dem viele höflich lächelnd dem Leiter begegnen; die Gedanken in den Augen mancher sind mir gut bekannt.
Freitag, den 12.September 2008
Heute haben alle im Kurs unserer „dynamischen“ Coacherin den „Praktikanten-Vortrag“ gehalten. Sie teilt uns noch ein Skript über Tips zum freien Reden aus. Immer noch können wir nicht ins Internet.
Montag, den 15. September 2008
Nunmehr hat die AWO es nach so langer Zeit endlich geschafft, dass wir wieder ins Netz kommen. Ansonsten plätschert der heutige Tag vor sich hin, ohne großartige „Aufbruchsstimmung“. Unsere Coacherin ist diese Woche in einer Schulung, so dass sie der Maßnahme-Leiter vertritt.
Dienstag, den 16.September 2008
Unser EDV-Dozent erscheint gegen 10 Uhr, nachdem ihn vorher der Leiter vertritt.
Er gibt uns neue Aufgaben im Word-Bereich, einfache Befehle, die lediglich für echte
Anfänger eine Herausforderung sein mögen.
Am Ende erfahren wir, dass eine Teilnehmerin abgemeldet wurde, aufgrund eines Gerüchtes ob ihrer Krankheitsabwesenheit, ohne dass dies mit ihr im Vorfeld abgesprochen war. Sie soll den Kurs wiederholen, ihre berechtigte Entrüstung findet Zustimmung. Es zeigt sich erneut, wie entwürdigend mit Menschen auch hierbei verfahren wird !!!
Mittwoch, den 17. September 2008
Meine Befürchtung bewahrheitet sich. Der Fehler seitens des Leiters, sie einfach so abzumelden, wird nicht zurückgenommen, aber sie hat entweder bis Ende Dezember den Kurs „nachzuholen“ oder aber den Kurs im nächsten Frühjahr zu beginnen. Ein Skandal, der nur Konsequenzen für sie hat, wenn keine Gegenwehr ihrerseits erfolgt.
Heute erhalten wir eine Internetrecherche-Aufgabe, wobei wir in Teams diese mit einer Präsentation vorführen sollen. Die Themen sind computerhistorischer Art und stoßen nicht gerade auf Begeisterung.
Mein Nachbar soll ein Praktikum absolvieren, obwohl dem Leiter bekannt ist, dass er herzkrankgefährdet ist. Auch hierbei stelle ich fest, dass mein Nachbar sich nicht wirklich wehrt und gleichzeitig die eindeutigen Belange der Teilnehmer seitens der AWO ignoriert werden. Es stinkt förmlich nach Prämienmentalität !!!
Donnerstag, den 18. September 2008
Der Leiter wird heute von einem jungen EDV-Dozenten vertreten, der sogar uns allen gegenüber zurückhaltend, umgänglich und freundlich ist. Er lässt uns wissen, was er selbst von der AWO hält, was bedeutet, dass er nicht gerade in Begeisterung verfällt.
Mein Nachbar wird vom Maßnahmeleiter dahingehend im Stich gelassen, dass das zugesagte Benzingeld für den heutigen Vorstellungstermin nicht ausgezahlt werden kann, da die Kasse verschlossen ist und kein Schlüssel hinterlegt wurde. Der EDV-Dozent bestätigt dies, und ist darüber ebenso pikiert. Zum Glück erhält mein Nachbar vom Büro der AWO, welches ein Stockwerk höher inzwischen eingerichtet wurde, das Benzingeld, wobei die dortigen Mitarbeiter sich über den Fehler des Leiters entsprechend ärgern; erneut stellt dieser damit seine Unfähigkeit unter Beweis ! Gleichzeitig wird dies dadurch unterstrichen, dass der EDV-Dozent nach ergiebiger Prüfung feststellt, weil mein Ersatz-PC heute mich nicht ins Internet lässt, dass entweder die Leitung defekt ist oder aber die Dose.
Freitag, den 19. September 2008
Außer, dass wieder der Maßnahme-Leiter die Coaching-Dozentin vertritt, ergibt sich nichts
Weltbewegendes. Er teilt uns einen Fragebogen aus, wo wir erläutern sollen, wie wir die
Maßnahme empfinden, ob sie uns real helfen konnte und was wir uns noch von ihr versprechen. Die Begeisterung hält sich entsprechend in Grenzen, manch nichtausgefüllte Blatt wird kommentarlos ihm zurückgegeben. Ich lasse mir es nicht nehmen, die Maßnahme sarkastisch durch den Kakao zu ziehen.
Montag, den 22. September 2008
Heute morgen möchte ich eigentlich fünfzehn Bewerbungen abschicken. Das schlecht vorbereitete Chef-Büro kann mir aber kein Material geben, da dies noch besorgt werden muß.
Somit verschiebt sich die Aktion, und ich bearbeite die Powerpoint-Präsentation über die „Wiederbeschreibbaren Medien“ und kann sie auch erfolgreich fertig stellen.
Dienstag, den 23. September 2008
Drei Präsentationen werden von den Teams vorgetragen. Ziemlich schleppend gelingt es mir
zwischendurch wenigstens vier Blindbewerbungen fertigzustellen, da ich das Material jeweils
einzeln erhalte und der Drucker zunächst nicht funktioniert. Die Stimmung im Kurs ist sehr
gereizt, da einige Kollegen von der ARGE sanktioniert werden, wobei dies in allen Fällen ungerechtfertigt ist. Unser EDV-Dozent beweist erneut seine Unfähigkeit, in dem er überzogen reagiert, da ich ihm unmissverständlich zu verstehen gebe, dass ich mein Anschreiben nicht ändern werde, nur weil er es gern anders hätte. Letztlich eine konsequente
Bestätigung zum ersten Vorfall. Er wundert und beschwert sich bei meiner Nachbarin über unseren Unmut, den wir natürlich nicht verbergen. Die berechtigte, begründete Erwiderung kann er nicht nachvollziehen- ist ja auch klar wieso: er ist eben nicht betroffen !
Mittwoch, den 24. September 2008
Der heutige Tag zeichnet sich als Fortsetzung einer nahezu unverschämten Tonlage seitens
des EDV-Dozenten aus, was meine sämtliche Lebenserfahrung ob zwischenmenschlicher
Beurteilung nur noch bestätigen kann. Dieses Wesen verhält sich dermaßen „unpädagogisch“,
dass mich eine zukünftig heftigste Gegenreaktion nicht im geringsten verwundern würde. Auch hat sich die eine oder andere Sanktionierung seitens der ARGE bei manchen Teilnehmern entsprechend auf deren Gemüt niedergeschlagen.
Donnerstag, den 25. September 2008
An diesem Tag bin ich nicht anwesend, da meine Frau einen Arzttermin in Neuwied hat, und
ich den Fahrdienst übernehme. Aber ich bringe durch meine Nachbarin das Wesentliche vom
heutigen Tag in Erfahrung. Die Coacherin legt ein „Bob der Baumeister“-Projekt den Teilnehmern nahe, und zwar für einen Kindergarten. Der sehr schnell sich einschleichende Verdacht meiner Nachbarin bestätigt sich, die Dozentin versucht doch tatsächlich die Projektarbeit als die ihrige für den Kindergarten ihrer Tochter „zu verkaufen“- wir sollen dafür „herhalten“. Zu dumm, dass genau das der gesamte Kurs aber anschließend ablehnt. Das neue Thema lautet nunmehr: „Vorteile der 50plus-Maßnahme“. Ich komme nicht
umhin, mich darüber zu amüsieren, weil ich letztlich keine entdecken kann. Am Telephon empfehle ich meiner Nachbarin dieses Tagebuch hier, welches garantiert authentischer sein wird.
Freitag, den 26. September 2008
Ziemlich schleppend erreiche ich es wenigstens, erneut vier Blindbewerbungsmaterialien vom
Leiter der Maßnahme zu erhalten. Unsere immer noch spritzig aufgesetzt wirkende Coacherin
schaut sich mein Bewerbungsschreiben an, kann dabei nichts „Störendes“ entdecken und wünscht mir viel Erfolg, was ich ihr gegenüber relativiere, wissend, dass Bewerbungen normalerweise an Theatern im Februar/März nur wirklich Sinn machen.
Montag, den 29. September 2008
Mal wieder fällt die Coacherin durch ihre überschwängliche Art auf, es verbleibt der Beigeschmack des „Aufgesetzt-Seins“. Sie führt weiterhin Einzelgespräche mit verschiedenen Teilnehmern, so auch kurz mit mir, weiterhin felsenfest davon überzeugt, ihre Rolle als Dozentin in dieser Maßnahme würde entscheidend mit dazu beitragen, dass wir mit Erfolg einen Arbeitsplatz erhalten. Mein Nachbar legt mir einen Artikel der RZ vor, in dem unsere Maßnahme über den Klee gelobt wird. Es ist sogar von vier erfolgreichen Vermittlungen die Rede- wir rätseln allerdings, wer dies denn sein könnte, weil uns lediglich eine bekannt ist. Nichtsdestotrotz rechtfertigt diese Zahl längst nicht den Kurs- manchmal kommt es halt vor, dass wir 50 Jährige auch ohne „Gängelung“ uns bestmöglich bewerben !
Dienstag, den 30. September 2008
Unser EDV-Experten-Dozent gibt sich heute mal wieder ziemlich hölzern, nahezu ruppig.
Etwas anderes erwarte ich längst nicht mehr. Mein Nachbarteam referiert seine Präsentation.
Anschließend erfolgt ein Schnelldurchlauf der bisher gehaltenen Präsentationen mit kritischer Hinterfragung unseres Dozenten. Die Gruppe nimmt dies verständlicherweise eher gelangweilt zur Kenntnis, was nicht weiter verwunderlich ist. Sollen wir hier zu Präsentations-Experten geschult werden ? Kaum jemand, der hier im Kurs sich befindet, wird je da draußen im Beruf sich einer solchen Herausforderung stellen müssen.
Mittwoch, den 01. Oktober 2008
Nichts Wesentliches geschieht heute, wir surfen im Netz, und ich bereite meine fünfzehnte Blindbewerbung vor, um sie auf die Reise zu schicken.
In Foren beobachte ich eine zunehmende Hilfebedürftigkeit, da oftmals Sachbearbeiter der ARGEN sich ziemlich willkürlich verhalten, mit der Unwissenheit ihrer Klientel rechnend.
Donnerstag, den 02. Oktober 2008
Der anhaltend frisch aufgesetzt wirkende Ton der Coaching-Dozentin wird zunehmend von der Gruppe als lästig empfunden. Sie kann es nicht sein lassen, uns mittels Kurzpräsentation auf eine us-amerikanische Studie aufmerksam zu machen, demnach ganz bestimmte Kriterien zum Erfolg, bzw. Misserfolg bei der Jobsuche beitragen. Wir schenken den angeblich korrekten Prozentzahlen nicht den von ihr erwarteten Glauben, sondern bezweifeln sie murrend. Auch lassen wir sie deutlich spüren, wie schlecht unsere Chancen auf dem Arbeitsmarkt stehen, besonders angesichts unseres Alters. Sie verneint dies zwar nicht, besteht aber auf ihrer Überzeugung, dass wir nicht alles unternommen hätten, um uns erfolgreich zu bewerben. Die Wirklichkeit wird ausgeblendet, damit die Maßnahme ihre Rechtfertigung hat.
Montag, den 06. Oktober 2008
Nicht sie, sondern der Maßnahmeleiter hat heute die Beaufsichtigung der Gruppe- dieser Ausdruck hat in sofern seine Berechtigung, als dass meine Nachbarin einen Termin bei der ARGE nicht wahrnehmen darf, wobei sie bei ihrem Sohnemann zugegen sein möchte. Es zeigt sich auch hierbei das Prozedere der „Fremdbestimmung“ und daher erneut eine Entmündigung.
Dienstag, den 07. Oktober 2008
Der EDV-Dozent ist sehr zufrieden mit meiner Präsentation der „wiederbeschreibbaren Medien“, die ich heute zum besten gebe. Nichtsdestotrotz kommt es in einer Pause auf dem Balkon zu einer erneuten Bestätigung über die Denkweise dieses Dozenten, die damit gleichzeitig auch diejenige der AWO wiedergibt. Er sei der festen Überzeugung, dass 80 %, insbesondere der jüngeren ALG-II-Empfänger, keine Lust hätten, sich um Arbeit zu bemühen.
Dies leitet er durch die Teilnahme an Maßnahmen ab. Dabei weist er unseren berechtigten Einwand brüsk von sich, dass die Teilnahme an einer Maßnahme eben völlig unfreiwillig geschehe, und daher der Unmut um sich greife. Er bleibt bei seiner Einschätzung, was im übrigen dem „politischen Fahrplan“ entspricht und obendrein der Dozentenberechtigung in seinem Sinne entgegenkommt.
Mittwoch, den 08. Oktober 2008
Der trübe Herbsttag plätschert vor sich hin, ohne dass irgend etwas Neues seitens des EDV-Dozenten uns vermittelt wird, er glänzt durch Anwesenheit und gibt sich eher muffelig mit seinen Versuchen einer neuen Ü-50-Kollegin die Materie des PC’s nahe zu bringen.
Donnerstag, 09. Oktober 2008
Unser Energiebündel, die Coaching-Dozentin, ist heute mal wieder nicht hier, so dass der
Leiter sie versucht zu vertreten. Dies unterstreicht er, in dem er uns an die Projektaufgabe
„Vor-und Nachteile der 50plus-Maßnahme“ erinnert, diese doch fortzusetzen. Die Gruppe
unterlässt dies jedoch, aus begründeten Vorwänden. Dafür bittet er einen Großteil von uns zu Einzelgesprächen.
Ich erfahre, dass es ihm um den jeweiligen Stand geht; er versucht weiterhin Praktika zu
vermitteln.
Freitag, den 10. Oktober 2008
Am Vormittag führen der Leiter und ich das Einzelgespräch. Dabei zeigt sich erneut seine
Inkompetenz. Es bestätigt meine Meinung über solch fragwürdige Maßnahmen, weil er nicht im geringsten geschult ist, was eine Befähigung einer guten Arbeitsberatung ausmacht. Zum Schluß schlägt er ernsthaft vor, mir ein Praktikum für eine Tankstellenkassiertätigkeit vor.
Die AWO braucht „mit aller Gewalt“ Erfolg, um ihre Berechtigung als Maßnahmeträger beizubehalten. Ich muß unweigerlich an Erich Fried’s Gedicht „Maßnahmen“ denken.
Montag, den 13. Oktober 2008
Auch heute ist die Coacherin nicht zugegen. Der Leiter teilt gegen Mittag zwei Fragebögen aus, die wir ausfüllen mögen. Es sind Fragen, die uns bei einem Bewerbungsgespräch gestellt werden können. Sowohl meine Nachbarn als auch ich amüsieren uns darüber lediglich, da Fragen dieser Art uns noch nie begegnet sind; aber vielleicht haben ja die über Fünfzigjährigen etwas „verpasst“.
Dienstag, den 14. Oktober 2008
Niemand hat den Bewerbungsbogen ausgefüllt, und heute ist der Tag des Vorstellungsgespräch-Übens. Die Gruppe verneint ein „Vorführen“ vor allen, so dass das Prozedere in einem Extraraum stattfindet. Ein Teilnehmer spielt den Bewerber, während entweder der EDV-Dozent oder aber der Leiter den Part des Arbeitgebers übernimmt. Ich schlage mich einigermaßen tapfer, wobei die zwei Beobachterinnen, zwei aus unserem Kurs als auch die Coacherin und selbst der EDV-Dozent zufrieden sind. Nur der Leiter sieht das anders, obwohl er seiner „Rolle“ mitnichten gerecht wird. Die Fragwürdigkeit einer solchen Übung ist ohnehin berechtigt. Ich erfahre auch, dass jemand aus dem Kurs auf Grund eines Telephonates, wo er einen Jobvorschlag abgelehnt haben soll, sanktioniert wird. Während des Gespräches hat der potentielle Arbeitgeber, der im übrigen die AWO sein sollte, einfach dieses abrupt beendet. Diese Beendigung wird nunmehr unserem Kollegen als Verweigerung ausgelegt. Er legt natürlich Widerspruch ein.
Gegen Ende des heutigen Tages stellt sich noch eine Firma vor, die Altenpflege lehrt und auch praktiziert, wir seien wegen unseres Alters eine besonders prädestinierte Zielgruppe, um eine solche Tätigkeit auszuüben. Begeisterung macht sich dennoch nicht breit, vielleicht liegt es auch daran, dass ein Großteil angesichts körperlich-gesundheitlicher Einschränkungen diesen Beruf nicht ausüben kann. Der Leiter stellt auch hierbei seine Unfähigkeit unter Beweis, in dem nachfragt, ob nicht mal eben jemand vom Kurs ein Praktikum dort absolvieren könne. Dies wird aber vehement zurecht verneint, da man mit pflegebedürftigen Menschen nicht auf diese entwürdigende Art umgehen darf; nur vertraglich eingestellte Berufsanfänger- und Lernende hätten die Berechtigung.
Mittwoch, den 15. Oktober 2008
Der EDV-Dozent ist heute sehr übellaunisch, und lässt dies uns deutlich spüren, in dem er im ziemlich barschen Ton uns auffordert, unsere Team-Arbeit und andere Aufgaben zu erfüllen.
Meine Nachbarin kann nicht es verkneifen, mir mitzuteilen, dass er noch die Schale hinter den Ohren hätte und trotzdem solche Töne von sich geben würde. Ich erwidere ihr gegenüber, dass dies aber generell keine Altersfrage sei, sondern eine des Anstandes; Menschenwürde wird hier wohl „ausgeblendet“.
Donnerstag, den 16. Oktober 2008
Es ist sehr deutlich zu spüren, dass diese Maßnahme ihr Ende erreicht, außer dass danach
das Vierteljahr stattfinden wird, wo wir zwei Termine im Monat wahrzunehmen haben.
Die Coacherin verteilt noch ein Packen „Ratschläge zum erfolgreichen Bewerben“, welches auf der Seite der Arbeitsagentur einzusehen ist. Nach wie vor wird uns die Unfähigkeit, sich erfolgreich einbringen zu können, dadurch vor Augen geführt.
Freitag, den 17. Oktober 2008
Nach der Frühstückspause präsentiert meine Nachbarin unsere Teamarbeit über das vorgegebene Thema der „Vor- und Nachteile unserer Maßnahme“. Es werden sehr viele Kritikpunkte aufgezählt, weil wirklich positives nicht zu finden ist. Besonders wird die Konzeptionslosigkeit des EDV-Dozenten sowie seine wirsche Art betont. Sowohl die Coacherin als auch der Maßnahmeleiter nehmen unser Urteil betroffen zur Kenntnis, Zwar verspricht der Leiter anschließend, nicht ohne unsere Arbeit lobend zu erwähnen, Besserung seitens der AWO, aber dennoch bezweifeln einige von uns als auch ich selbst eine effektive Korrektur. Unvergessen sind die Eindrücke, die wir hin und wieder mitbekommen, wenn wir durch den Gebäudeflur gehen, wie mit Praktikanten, Ein-Euro-Jobbern und dem Personal der AWO umgegangen wird: von unverschämt lautem Ton bis hin zum Anbrüllen !!!
Die Coacherin teilt uns noch ein Schriftstück aus, welches ein Herr Gerhard Winkler verfasst hatte (http://www.jova-nova.com), genannt „Zwischen den Jobs- ein Motivationsblatt für Menschen, die sich verändern“, über dessen Schreibstil, der mich an jemand, der extremst mit Koks „abgefüllt“ ist, erinnert, lässt sich bestimmt diskutieren, aber ein Satz ist mir übelst aufgestoßen, ich zitiere: Ich hadere nicht mit Managern, Mächten oder dem System.
Wie bitte ??? Da wird den Arbeitslosen somit unterschwellig vermittelt, um es mal unverblümt auszudrücken, sie sollten gefälligst die Schnauze halten und froh sein, die „Herrenmenschen“ werden es schon richten, oder ?
Am Ende werden uns die ersten „Coaching-Gesprächstermine“ mitgeteilt.
Montag, den 20. Oktober 2008
An unserem letzten Tag der Maßnahme, was die tägliche Anwesenheit anbelangt, ist der Leiter zugegen, um uns „zu beaufsichtigen“. Genau diesen Eindruck werde ich stets inne haben, wenn ich an meine erste und letzte Maßnahme denke. Überdeutlich spüren wir die Erleichterung im Kurs, dass dieser Teil sein Ende hat. Eine Teilnehmerin reicht mir ein verbessertes Schreiben, welches sie mir schon mal vor Tagen gegeben hatte. Das jetzige dürfe ich mit diesem Tagebuch veröffentlichen. Ich stimme dem unbedingt zu, so auch, dass sie ihren Namen nicht nennen möchte.
Hier also ihr Text:
Perspektive 50plus
(Versuchsgruppe der AWO / ARGE Puderbach 21. Juli 2008) 1.Stufe? Vielleicht Milliarden?
2. Stufe 275 Millionen, welch eine Verschwendung.
Wie viel Not könnte man mit dem Geld lindern,
in Deutschland, meinem ach so armen Heimatland.
Bewerbertraining?
Wenn ich eine Bewerbung schreiben wollte könnte ich das kostenlos in meiner Familie! Damit müssen keine Dozenten und Seminarleiter das große Geld machen. Mich gut verkaufen? Auch dafür muss die Arge niemanden bezahlen. Ich habe mich mein ganzes Leben lang nie verkaufen müssen.
Ich bin seit 37 Jahren Hausfrau, habe immer einen Nebenjob gehabt, war niemals arbeitslos. Arbeitslos hat mich erst unser Staat gemacht.
Der Staat hat uns Hausfrauen hart bestraft!!!
Kindererziehung? Enkelkinder betreuen, damit die eigenen Kinder arbeiten können und nicht arbeitslos werden?
Alles weggeworfene Zeit, nichts zählt mehr, würde ich niemals wieder tun. Dein Ehemann wird arbeitslos und zack, bist du es auch.
Deutschland, wie tief bist du gesunken.
Leider bin ich körperlich nicht mehr belastbar, ein Nichts in euren Augen. Schmerzen können und wollen die Sachbearbeiter der ARGE / AWO nicht sehen, aber ICH fühle sie!!!
Mein Alptraum !!
Sagt mir nicht mehr wie ich mich bewerben soll.
Mein Traum !!
Sagt mir doch einfach mal WO ich mich bewerben soll !!
Ich bin einfach nur ein Mensch!
Kein Schlachtvieh das man meistbietend vermarkten und verkaufen kann. Praktikum mit 55 ??? Nein Danke nicht mit mir!!!
Mein Sachbearbeiter auf der Arge sitzt hochtrabend hinter dem Schreibtisch,
ich stehe davor. Würde ich nicht davor stehen, wäre er nicht dahinter.
Er/sie wäre ganz einfach gesagt Arbeitslos und dieses sollte man ihm/ihr einmal wünschen, damit er/sie selbst die Ironie und den Hohn mit dem er/sie uns behandelt auch spüren kann!!!
In der Zukunft: Seminare 67 plus !??!
Dann sind wir endlich kaputt und keine Sozialschmarotzer mehr.
Schlusswort
Die erste und mit Sicherheit letzte Maßnahme, der ich mich ausgesetzt habe, zeigt mir überdeutlich, wie entwürdigend, skrupellos und dilettantisch die AWO für sich eine neue Gelegenheit ausnutzt, um sich zu profilieren, aber mitnichten den Betroffenen wirklich zu helfen. Das Gegenteil ist der Fall. Und hier im Kurs sind die allermeisten wesentlich demotivierter als noch zu Beginn dieser Maßnahme. Da nützen auch keine „geschönten“, ja sogar mit Lügen bespickte Zeitungsartikel, sie halten dem Vergleich mit der Wirklichkeit nicht im geringsten Stand. Letztlich benutzen die Parteien, die Wohlfahrtsverbände, die dortig Beschäftigten, die Langzeitarbeitslosen, um sie zu bevormunden, sie in Billiglohnbeschäftigungen unterzubringen, ja sogar für die eigenen Zwecke einzustellen, aber mitnichten, um sie erfolgreich in den ersten Arbeitsmarkt zurückzuführen. Mit anderen Worten, die Verantwortlichen kreieren eine verfälschte Statistik, um als „Samariter getarnt“ aufzutreten und sich darüber hinaus auf Kosten der älteren Menschen zu bereichern.
Dies ist ein Skandal, der in Zeiten der BILDzeitungs-Hetze unterzugehen droht. Für mich selbst endet hiermit die Maßnahme, was bedeutet, dass ich sanktioniert werde. Selbstverständlich schlage ich den Weg des Widerspruchs, der Sozialgerichtsbarkeit ein, weil
ich nicht länger diese menschenverachtende Gangart mittragen kann und will !!!