Die offensichtliche Annahme des Jobcenters und Sozialgerichts, dass die Vermutungsregelung nach einem Zusammenleben von mehr als einem Jahr per se gilt und Feststellungen zum Bestehen einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft im Übrigen entbehrlich werden lässt, ist falsch
So die Rechtsauffassung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.01.2013 - L 19 AS 2281/12 B ER und - L 19 AS 2282/12.
Gewährung der Regelleistung im Rahmen der Folgenabwägung, denn das Jobcenter und Sozialgericht haben offensichtlich angenommen, dass die Vermutungsregelung nach einem Zusammenleben von mehr als einem Jahr per se gilt und Feststellungen zum Bestehen einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft im Übrigen entbehrlich werden lässt.
Dies ist falsch und verkennt die systematische Stellung der Vermutungsregelung.
Eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft i.S.d. SGB II liegt nur vor, wenn kumulativ die folgenden Voraussetzungen gegeben sind:
Es muss sich 1. um Partner handeln, die 2. in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft leben (objektive Voraussetzungen) und zwar 3. so, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (subjektive Voraussetzung).
Von dem Bestehen einer Partnerschaft i.S.d. ersten Voraussetzung ist auszugehen, wenn eine gewisse Ausschließlichkeit der Beziehung gegeben ist, die keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt. Zudem muss zwischen dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und dem Dritten die grundsätzliche rechtlich zulässige Möglichkeit der Heirat bzw. Begründung einer Lebenspartnerschaft bestehen.
Eine Wirtschaftsgemeinschaft besteht, wenn Haushaltsführung und Bestreiten der Kosten des Haushalts gemeinschaftlich durch beide Partner erfolgen, wobei es nicht zwingend auf gleichwertige Beiträge ankommt. Ausreichend ist eine Absprache zwischen den Partnern, wie sie diese zum Wohle des partnerschaftlichen Zusammenlebens untereinander aufteilen.
Die subjektive Seite i.S.d. dritten Voraussetzung, dass die in einem Haushalt zusammenlebenden Partner auch den gemeinsamen Willen, füreinander Verantwortung zu tragen und füreinander einzustehen, haben müssen, wird nach § 7 Abs. 3a SGB II bei positiver Feststellung einer der dort aufgezählten vier Fälle vermutet.
(Erst) dann obliegt es dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, diese Vermutung zu widerlegen (BSG Urteil vom 23.08.2012 - B 4 AS 34/12 R m.w.N.).
Solange also - wie hier - keine belastbaren Feststellungen zum Bestehen einer Partnerschaft und zur gemeinsamen Haushaltsführung getroffen sind oder hierauf aus objektivierbaren Umständen geschlossen werden kann, ist die Vermutungsregelung nach § 7 Abs. 3c SGB II nicht ausschlaggebend und macht Feststellungen zum Bestehen einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft i.S.d. SGB II nicht entbehrlich.
Ob die Kriterien für das Bestehen einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft erfüllt sind, haben bislang weder der Antragsgegner noch das Sozialgericht festgestellt.
Vor dem Hintergrund des nahezu vollständigen Ermittlungsausfalls hält es der Senat nicht für angebracht, sämtliche Ermittlungen im Beschwerdeverfahren nachzuholen und entscheidet - wie auch sonst in Fällen komplexer, mit den Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu beantwortender Fragestellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05) - im Wege der Folgenabwägung.
Hierbei sind die grundrechtlichen Belange der Antragstellerin umfassend in die Abwägung einzubeziehen und zu berücksichtigen, dass die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen (ständige Rechtsprechung auch des Senats, z.B. im Beschluss vom 15.11.2012 - L 19 AS 1917/12 B ER).
S.a.Sozialrechtsexperte: Mitbewohner im Eigenheim ist nicht automatisch Lebenspartner im Sinne des § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II - Voraussetzungen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft
Ob die Kriterien für das Bestehen einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft erfüllt sind, ist nicht immer einfach zu beurteilen. Wir , das Team des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann ist Ihnen gerne mit seiner langjährigen Erfahrung im Sozialrecht behilflich.