Der Grundsicherungsträger muss mit der Sanktionsentscheidung zeitgleich auch darüber entscheiden , ob im konkreten Fall ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu erbringen sind
So die Rechtsauffassung des LSG NRW, Urteil vom 18.10.2012 - L 7 AS 998/11
Die zeitliche Verbindung der beiden Verwaltungsentscheidungen in den Fällen, in denen der Grundsicherungsträger bei jungen Erwachsenen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 31 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F.), einen Wegfall des Arbeitslosengeldes II verfügt, ist durch eine verfassungskonforme Auslegung in der Weise zu reduzieren, dass der Grundsicherungsträger mit der Sanktionsentscheidung zeitgleich auch darüber entscheiden muss, ob im konkreten Fall ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu erbringen sind.
Dieses Erfordernis zeitgleicher Entscheidung gilt auch für die sonstigen Fälle des vollständigen Wegfalls des Arbeitslosengeldes II und damit auch bei Erwachsenen, die das 25. Lebensjahr vollendet haben.
Denn ein hinreichender Grund für eine unterschiedliche Behandlung ist nicht zu erkennen.
In beiden Fällen ist der Gefährdung des physischen Existenzminimums Rechnung zu tragen (erkennender Senat, Beschluss vom 09.09.2009, Az.: L 7 B 211/09 AS ER, ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.01.2011, Az.: L 2 AS 428/10 B ER und LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.04.2010, Az.: L 13 AS 100/10 B ER).
Bei einem vollständigen Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung ist der Verwaltungsträger aus verfassungsrechtlicher Sicht gehalten, die mit der Sanktion verbundenen Auswirkungen in seine Entscheidung einzubeziehen.
Zur Vermeidung von unverhältnismäßigen Auswirkungen, die mit dem Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar sind, ist zu klären, ob die Betroffenen die wegfallenden Leistungen zur Existenzsicherung durch finanzielle Reserven, alternative Einkünfte oder durch Unterstützungsleistungen von Angehörigen und Freunden kompensieren können.
Vorliegende sozialwissenschaftliche Untersuchungen geben Anhalt für die Annahme, dass vorgenannte Kompensationsmöglichkeiten bei einem wesentlichen Anteil der von Sanktionen Betroffenen nicht hinreichend zur Verfügung stehen (Ames, Ursachen und Auswirkungen von Sanktionen nach § 31 SGB II, NDV 2010, Seiten 111 ff.).
Erst die Information über die konkreten Auswirkungen der Sanktion, die zum vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeld II führt, versetzt den Träger in die Lage, das durch § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II a.F. grundsätzlich eröffnete Ermessenen gemäß § 39 Abs. 1 i.V.m. § 37 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) auszuüben.
Anmerkung: Sanktionbescheid ist rechtswidrig und aufzuheben, wenn ein Hinweis hinsichtlich eines Anspruches auf Bewilligung ergänzender Sachleistungen oder geldwerter Leistungen nach § 31a Abs. 3 S. 2 SGB II sich dem Bescheid nicht entnehmen lässt.