Hartz IV - Empfänger müssen wahrhaftige Zauberkünstler sein, denn Reisekosten aus Anlass der Teilnahme an der Beisetzung eines Angehörigen müssen aus dem Regelsatz bezahlt werden
So die Rechtsauffassung des LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Juli 2012 - L 20 SO 40/12.
Ein Anspruch nach § 74 SGB XII scheidet aus, weil es von vornherein nicht um Bestattungskosten im Sinne des Gesetzes geht.
Zwar werden nach dieser Vorschrift die erforderlichen "Kosten einer Bestattung" übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.
Unter diesen Begriff fallen - im Sinne eines Zurechnungszusammenhangs, aber auch nach dem Gesetzeswortlaut - nur die Kosten, die unmittelbar der Bestattung dienen bzw. mit der Durchführung der Bestattung untrennbar verbunden sind; Kosten für Maßnahmen, die nur anlässlich des Todes entstehen, also nicht final auf die Bestattung selbst ausgerichtet sind, fallen hingegen nicht darunter.
Bestattungskosten sind mithin von vornherein all die Kosten, die aus öffentlichrechtlichen Vorschriften resultierend notwendigerweise entstehen, damit die Bestattung überhaupt durchgeführt werden kann oder darf, sowie solche Kosten, die aus religiösen Gründen unerlässlicher Bestandteil der Bestattung sind.
Der Gesetzgeber hat, um die sozialhilferechtliche Verpflichtung der Solidargemeinschaft der Steuerzahler zu begrenzen, bewusst nicht auf die gesamten sich aus dem Sterbefall ergebenden Kosten abgestellt (BSG, Urteil vom 25.08.2011 - B 8 SO 20/10 R, Rn. 10).
Zu den danach von § 74 SGB XII nicht erfassten, weil nicht auf die Bestattung selbst ausgerichteten Kosten zählen insbesondere auch die - hier streitbefangenen - Anreisekosten von Mitgliedern der Trauergemeinde (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 25.08.2011 - B 8 SO 20/10 R).
Grundsätzlich sind Reise- bzw. Mobilitätskosten von den Regelbedarfen bzw. Regelsätzen nach dem SGB II bzw. SGB XII erfasst (abgeleitet aus Abteilung 7 - Verkehr - der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die der Bedarfsbemessung zugrundeliegt; vgl. Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 20 Rn. 30; für die Zeit ab 2011 siehe auch § 20 Abs. 5 SGB II i.V.m. §§ 1, 5 und 6 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII).
Die Bedarfslage bei weiterer Anreise zu einer Beerdigung ist insoweit nicht anders als eine Situation, in der ein Leistungsempfänger zur Bewältigung einer einmaligen Spitze im Bereich von Bedarfen, die an sich als Regelbedarfe berücksichtigt sind (z.B. bei Ersatzbeschaffung teurerer Haushaltsgeräte oder Möbelstücke), vom Gesetz in zumutbarer Weise auf die Inanspruchnahme eines zurückzuzahlenden Darlehens verwiesen wird (§ 37 SGB XII und § 23 Abs. 1 a.F. bzw. § 24 Abs. 1 n.F. SGB II).
Das gilt vorliegend um so mehr, als die Höhe der geltend gemachten Reisekosten durchaus mit den Kosten vergleichbar ist, die für die Ersatzbeschaffung gebrauchter Haushaltsgeräte wie eines Kühlschrankes oder Elektroherdes anfallen.
Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums bestehen insoweit nicht.
Denn das BVerfG hat in seiner dieses Grundrecht erkennenden Entscheidung vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09) allein für atypische laufende bzw. wiederkehrende Bedarfe eine Übergangsregelung vorgesehen, bis der Gesetzgeber für die (im Bereich des SGB II) hierzu bestehende Bedarfslücke Abhilfe geschaffen habe (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 204 ff.; Letzeres geschehen durch Einführung des § 21 Abs. 6 SGB II mit Wirkung ab dem 03.06.2010, der die vom BVerfG getroffene Übergangsregelung wörtlich in den Gesetzestext übernimmt; vgl. hierzu Münder in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 21 Rn. 33 f.)
Für das Auffangen atypischer einmaliger bzw. kurzfristiger Bedarfsspitzen (wie dies auch Reisekosten zu einem Begräbnis sind) hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09, Rn. 208) ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 n.F. SGB II ausdrücklich als ausreichend angesehen.
Der Beitrag wurde erstellt von Detlef Brock- Teammitglied des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann.