2 aktuelle Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Anrechnung von Betriebskostenguthaben
1. BSG, Urteil vom 16.05.2012,-B 4 AS 132/11 R-
Urteil Nr 3.
3) 11.30 Uhr - B 4 AS 132/11 R - 1. S.Z., 2. B.S., 3. L.S. ./. Jobcenter Saale-Holzland-Kreis
Der Beklagte bewilligte den laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II beziehenden Klägern für den Zeitraum vom 1.07.2009 bis 31.12.2009 SGB II-Leistungen in Höhe von 1.212 Euro monatlich einschließlich 485 Euro (je Kläger 161,66 Euro) für die von dem Beklagten als angemessen erachteten KdU bei tatsächlichen Kosten von 600 Euro.
Aus einer für das Jahr 2008 erstellten Betriebskostenabrechnung vom 2.10.2009 ergab sich ein Guthaben iHv 1.006,78 Euro, das der Vermieter wegen "aufgelaufener, noch ausstehender Mietrückstände" in voller Höhe "verrechnete". Der Beklagte berücksichtige hiervon - für den Zeitraum vom 1.1.2008 bis 31.10.2008 - einen Betrag iHv 785,40 Euro und hob die Leistungsbewilligungen für Dezember 2009 teilweise auf. Das Guthaben sei im Dezember 2009 in Höhe eines Teilbetrages von 485 Euro und im Januar 2010 in Höhe von 300,40 Euro bedarfsmindernd auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung anzurechnen. Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Den Klägern stünden auch im Dezember 2009 die Leistungen für Unterkunft und Heizung in der festgesetzten Höhe zu, weil keine wesentliche Änderung in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen eingetreten sei. § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II könne nur angewandt werden, wenn dem Hilfebedürftigen eine Rückzahlung oder ein Guthaben zufließe, über das er tatsächlich verfügen könne.
Mit seiner Sprungrevision trägt der Beklagte vor, § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II finde auch Anwendung, wenn die Gutschrift aus einem Betriebskostenguthaben dem Leistungsempfänger tatsächlich nicht zur Verfügung stehe. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, weil das Wort "Gutschrift" keine Zahlung beinhalte, sondern allein die schriftliche Fixierung bzw Eintragung eines Guthabens als bestehenden Anspruch eines Anderen erfasse. Der Sicherungsauftrag des SGB II bedeute nicht, dass der Leistungsberechtigte in jedem Leistungsmonat auch den vollen Leistungsbetrag zu erhalten habe; vielmehr müssten Leistungsempfänger private Schulden aus der Regelleistung finanzieren.
Jobcenter können an Mietschulden beteiligt werden.
Verrechnet ein Vermieter bei einem Hartz-IV-Bezieher aufgelaufene Mietschulden mit einer Betriebskostenrückzahlung, kann das Jobcenter das gutgeschriebene Geld in der Regel nicht mehr zurückfordern, denn dies kann nur dann mindernd angerechnet werden, wenn es auch realisiert wird(vgl. auch Urteil des Senats vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R).
BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 10.5.2011, B 4 KG 1/10 R
Kinderzuschlag - Mindesteinkommensgrenze - Einkommen - Einkommensberechnung nach dem SGB 2 - zu berücksichtigendes Einkommen - Pfändungs- und Überweisungsbeschluss - Rückgängigmachung der Pfändung
Nämlich nur dann stehen bereite Mittel nicht zur Verfügung und rechtfertigt - trotz denkbarer Mietschuldentilgung - der Bedarfsdeckungsgrundsatz die Nichtberücksichtigung des Guthabens bei dem Leistungsanspruch.
2. BSG,Urteil vom 16.05.2012,-B 4 AS 159/11 R -
§ 22 Abs 1 S 4 Halbs 1 SGB 2 a.F. findet keine Anwendung, wenn ein Hilfebedürftiger die Betriebskostenvorauszahlungen nicht weitergeleitet, sondern zweckwidrig verbraucht hat.
Denn die in § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II genannten Gutschriften oder Rückzahlungen müssen als Einkommen zu qualifizieren sein. Hingegen resultiert das vom JC errechnet fiktive Guthaben aus einer bestimmungswidrigen Verwendung der gewährten Leistungen durch die Klägerin.
Für die Verrechnung derartiger Beträge bietet § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II - wie Wortlaut und Entstehungsgeschichte belegen - keine Handhabe.
Urteil Nr 2.
2) 10.45 Uhr - B 4 AS 159/11 R - S. ./. Jobcenter Mönchengladbach
Der Beklagte berücksichtigte bei der Berechnung der KdU im Jahr 2007 einen Gesamtbetrag von 2.003,16 Euro für Heizung und laufende Betriebskosten. Tatsächlich zahlte die Klägerin lediglich einen Betrag iHv 1.777,08 Euro an den Vermieter. Der Klägerin wurden mit dem Bewilligungsbescheid vom 11.12.2007 KdU für den Zeitraum vom 1.1.2008 bis 30.6.2008 bewilligt. Bei der Abrechnung für das Jahr 2007 machte der Vermieter im April 2008 eine Nachzahlung iHv 43,92 Euro geltend. Der Beklagte errechnete hingegen eine Überzahlung von Leistungen iHv 287,65 Euro und "bewilligte" mit dem Bescheid vom 21.5.2008 Leistungen für den Monat Juni 2008 in Höhe von 0,04 Euro und für Juli 2008 in Höhe von 285,69 Euro. Auf Vorsprache der Klägerin wurde die Überzahlung in monatlichen Teilbeträgen von jeweils monatlich 30,00 Euro von den ab Juni bereits bewilligten Leistungsbeträgen in Abzug gebracht. Hierbei stützte sich der Beklagte jeweils auf § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II. Widerspruch und Klage blieben erfolglos.
Das LSG hat auf die Berufung der Klägerin den Beklagten unter Aufhebung der angefochten Bescheide zur "Erstattung der einbehaltenen Überzahlungen" verurteilt. § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II könne von seinem Wortlaut nur so verstanden werden, dass es sich um Rückzahlungen oder Guthaben handeln müsse, die im Verhältnis von Leistungsempfänger und Vermieter bestünden. Überzahlte Leistungen könnten im Verhältnis von Leistungsträger und Leistungsempfänger nicht als Einkommen angesehen werden.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II und macht geltend, die Auffassung des LSG könne dazu führen, dass in Einzelfällen mehr KdU gezahlt würden, als tatsächlich anfielen und dem Leistungsberechtigten zustünden.