Die Witwenrente ist auch im sog. Sterbevierteljahr (§ 67 Nr. 5, 6 SGB VI) in voller Höhe anzurechnen - An anderslautende fachliche Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zur Anwendung der §§ 11, 11a, 11b SGB II ist das Gericht nicht gebunden.
So die Rechtsauffassung des LSG Hessen, Beschl. v. 21.12.2012 - L 4 SO 340/12 B ER.
Die Witwenrente ist auch im Sterbevierteljahr keine gem. § 83 Abs. 1 SGB XII anrechnungsfreie zweckbestimmte Leistung.
Zwar dient die Witwenrente im Sterbevierteljahr dem abstrakt-generellen Ziel, den während des Sterbevierteljahres zwangsläufig eintretenden besonderen Bedarf des hinterbliebenen Ehegatten zu befriedigen.
Sie soll nach der Intention des Gesetzgebers dem Hinterbliebenen die Aufwendungen, die mit der letzten Krankheit und dem Todesfall verbunden sind, abnehmen und ihm die Umstellung auf die neuen Lebensumstände finanziell erleichtern (BVerfG, Entscheidung vom 8. März 1972 - 1 BvR 674/70).
Ein solcher abstrakt-genereller Zweck ist für eine Zweckbestimmung gem. § 83 SGB XII jedoch nicht ausreichend. Abstrakt-generelle Zwecke sind jeder Norm immanent (Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf § 83 SGB XII Rdnr. 6). § 83 Abs. 1 SGB XII fordert über einen solchen allgemeinen Zweck einen solchen, der "ausdrücklich genannt" ist.
Erforderlich für eine Zweckbestimmung im Sinne des § 83 Abs. 1 SGB XII ist damit ein konkret-individueller Zweck, der allerdings bei der Witwenrente im Sterbevierteljahr nicht gegeben ist.
Nicht zu fordern ist zwar, dass der Empfänger die andere Leistung nur zu dem im Gesetz oder in einer Vereinbarung vorgesehenen Zweck verwenden darf oder dass der Leistende ein Kontrollrecht oder einen Einfluss auf die Verwendung hat.
Zweckbestimmt sind daher auch solche Leistungen, die aus einem bestimmten Anlass und in einer bestimmten Erwartung gegeben werden und die der Empfänger zwar im Allgemeinen für den bestimmten Zweck verwenden wird, ohne dass er jedoch dazu angehalten werden könnte (Söhngen, in: jurisPK-SGB II § 11a SGB II Rdnr. 29).
Jedoch ist die Erwartung des Gesetzgebers im Fall der Witwenrente im Sterbevierteljahr nicht derart konkretisiert, dass sie über die abstrakt-generelle Zielrichtung im Sinne der Begründung des Gesetzes hinausgehen würde. Die durch den Tod eines nahen Angehörigen entstehenden Bedarfe und die einer Krankheit folgenden Aufwendungen sind derart unterschiedlich, dass eine konkrete Zweckbestimmung schon aufgrund der Verschiedenheit der Lebenswirklichkeit ausscheidet.
Auch das Ziel, die Umstellung auf neue Lebensumstände finanziell zu erleichtern, stellt lediglich eine rein abstrakte Begründung für eine finanzielle Privilegierung dar.
Ein Zweck, der ausreichend konkretisiert wäre, um festzustellen, ob ein Empfänger die Leistung im Allgemeinen hierfür einsetzen würde, kann hierin nicht gesehen werden.
Ein solcher Zweck könnte bspw. in einem bestimmten Bedarf (so bspw. der Unterhalt des Kindes beim Erziehungsbeitrag gem. § 39 Sozialgesetzbuch Achtes Buch - Kinder und Jugendhilfe) oder einer vom Gesetzgeber verfolgten Intention (so bspw. bei der sog. "Abwrackprämie") liegen.
Im Hinblick auf das Ziel der Privilegierung im Sterbevierteljahr, die Umstellung auf die neuen Lebensumstände finanziell zu erleichtern, liegt es darüber hinaus nahe, dass die Witwenrente auch in diesem Zeitraum letztlich der Sicherung des Lebensunterhalts - hier allerdings im Sinne eines sich verändernden Lebensstandards - dient und damit demselben Zweck, wie die Sozialhilfe.
Auch aus diesem Grund ist eine Anrechnung der Witwenrente in voller Höhe vorzunehmen.
Die zu § 138 Abs. 3 Nr. 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ergangene Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 11. Januar 1990 - 7 Rar 128/88), dass die Witwenrente im Sterbevierteljahr eine zweckbestimmte Einnahme und nicht anrechenbar ist, kann nach Ablösung der Arbeitslosenhilfe durch das SGB II und das SGB XII nicht auf die heutige Rechtslage übertragen werden.
An anderslautende fachliche Hinweise der Bundesagentur für Arbeit (fachliche Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zur Anwendung der §§ 11, 11a, 11b SGB II, Fassung vom 20. September 2012, Seite 28) sind weder das Gericht noch der Antragsgegner gebunden. http://www.harald-thome.de/media/files/s...-20.09.2012.pdf
besagen, dass Witwen- und Witwerrente für das sog. Sterbevierteljahr bis zu dem das Normalmaß übersteigenden Betrag zu den zweckbestimmten Einnahmen gehört.