Das LSG Niedersachsen-Bremen hat Beschuß vom 7.11.2008 – L 8 SO 134/08 ER – einen Anspruch auf „zeitanteiliges Sozialgeld“, also auf 1/30 der Regelleistung des betroffenen Kindes für jeden Umgangstag festgelegt.
L 8 SO 134/08 ER 07.11.2008
Die Antragsteller zu 2. und 3. haben einen Anspruch auf die von ihnen für die Zeiten ihrer Besuchsaufenthalte bei dem Antragsteller zu 1. begehrten anteiligen Regelleistungen (Sozialgeld) – allerdings nur in Höhe von 1/30 des Monatssat-zes pro nachgewiesenem Tag des Aufenthalts – gemäß § 20 Abs 2 iVm § 28 Abs 1 Satz 1, Satz 2, Satz 3 Nr 1, § 7 Abs 1, Abs 2, Abs 3 Nr 4 und § 9 Abs 1, Abs 2 SGB II glaubhaft gemacht. Die Antragsteller zu 2. und 3. bilden – wie von der Antragsgegnerin auch angenommen wird – in der Zeit ihres Aufenthaltes bei dem Antragsteller zu 1. mit diesem eine zeitweise Bedarfsgemeinschaft (vgl BSG, Urteil vom 7. November 2006, – B 7b AS 14/06 R -, NZS 2007, 383, und juris, Rdnr 27, 28). Sie haben glaubhaft gemacht, während der Besuchsaufent-halte bei dem Antragsteller zu 1. hilfebedürftig zu sein. Der Antragsteller zu 1. kann ihren Lebensunterhalt nicht sicherstellen, weil er selbst hilfebedürftig ist und die ihm gewährten SGB II - Leistungen des Antragsgegners nur zur Siche-rung seines eigenen Lebensunterhalts ausreichen. Die Mutter der Antragsteller zu 2. und 3., Dr. J., ist – wie eine google-Recherche des Senats ergeben hat – seit Januar 2003 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften der Universität K ... Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sie über ausreichendes Einkommen verfügt, welches sie neben dem den Antragstellern zu 2. und 3. gewährten Betreuungsunterhalt (§ 1606 Abs 3 Satz 2 BGB) wegen der fehlenden Leistungsfähigkeit des an sich barun-terhaltspflichtigen Antragstellers zu 1. auch zur Zahlung von Barunterhalt ver-pflichtet (so genannte Ausfallhaftung, vgl Palandt, BGB, 66. Aufl 2007, § 1606 Rdnr 19). Ob entsprechende Unterhaltsansprüche der Antragsteller zu 2. und 3. bestehen, welche im Leistungsfall auf den Antragsgegner übergehen, kann je-doch dahinstehen. Denn solche Ansprüche sind nicht – ihrer Hilfebedürftigkeit entgegenstehende – Einkommen der Antragsteller zu 2. und 3. im Sinne von § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII. Solches Einkommen läge nur vor, wenn sie tatsächlich Unterhaltszahlungen der Mutter für die Besuchsaufenthalte bei ihrem Vater er-halten. Die Antragsteller zu 2. und 3. haben jedoch glaubhaft gemacht, dass dies nicht der Fall ist. Der Antragsteller zu 1. hat zur Begründung der Beschwerde vorgetragen, die Kindesmutter gebe ihnen für die Zeit ihres Besuchsaufenthalts bei ihm weder Geld noch Wechselwäsche oder sonstige Gegenstände mit.
Die Antragsteller zu 2. und 3. selbst haben mit schriftlicher Erklärung vom 4. Oktober 2008 glaubhaft versichert, ihre Mutter gebe ihnen für die Aufenthalte bei ihrem Vater kein Geld mit. Diese Erklärungen sind vor dem Hintergrund, dass die Mut-ter an sich nur den von ihr erbrachten Betreuungsunterhalt (und nicht auch noch Barunterhalt) schuldet und der Antragsteller zu 1. als umgangsberechtigter El-ternteil grundsätzlich (Ausnahme – wie hier: eigene Hilfebedürftigkeit) die Kos-ten der Ausübung des Umgangsrechts zu tragen hat, plausibel.
Das Kindergeld ist nicht Einkommen der Antragsteller zu 2. und 3. Es wird an ihre Mutter ausgezahlt und ist den Antragstellern zu 2. und 3. auch nicht gemäß 11 Abs 1 Satz 3 SGB II als eigenes Einkommen zuzurechnen. Das Kindergeld für minderjährige Kinder, die – wie hier die Antragsteller zu 2. und 3. während der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Vater – nicht in einer Familien-haushaltsgemeinschaft mit der kindergeldberechtigten Person leben, ist Ein-kommen des bezugsberechtigten Elternteils und darf dem Kind nur angerechnet werden, soweit es an dieses durch einen gesonderten zweckorientierten Zuwen-dungsakt tatsächlich weitergegeben wird (vgl. Brühl in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2007, § 82 Rdnr 60 mwN).
Die Mutter ist zwar grundsätzlich gehalten, aus dem an sie gezahlten Kindergeld den Antragstellern zu 2. und 3. Mittel zur Verfügung zu stellen, mit denen diese ihren Lebensunterhalt – zu denen etwa auch die Kos-ten der Fahrten zum umgangsberechtigten Antragsteller zu 1. sowie die Kosten der dortigen Besuchsaufenthalte gehören – bestreiten können. Insoweit ist je-doch – wie bereits ausgeführt – glaubhaft gemacht, dass die Mutter der An-tragsteller zu 2. und 3. ihnen tatsächlich die benötigten Mittel zur Ausübung des Umgangsrechts nicht zur Verfügung stellt.
Da den Antragstellern zu 2. und 3. die zur Ausübung des Umgangsrechts not-wendigen Mittel tatsächlich nicht zur Verfügung stehen – auf die Anspruchsbe-rechtigung kommt es nach dem Tatsächlichkeitsgrundsatz nicht an -, droht die Vereitelung des Umgangsrechts, und die Antragsgegnerin ist gehalten, das Feh-len der notwendigen "bereiten Mittel" durch Gewährung der begehrten anteiligen Regelleistungen zu ersetzen (vgl LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. April 2008 – L 20 AS 112/06 -, juris Rdnr 47).
Die Antragsteller zu 2. und 3. haben auch einen Anspruch gegen den Antrags-gegner auf Übernahme der zur Ausübung des Umgangsrechts erforderlichen Fahrtkosten glaubhaft gemacht. Anspruchsgrundlage ist § 73 SGB XII (vgl BSG, Urteil vom 7. November 2006, a.a.O. juris Rn. 22 - 26). Der Antragsgegner ist entgegen seiner Auffassung insoweit gemäß §§ 97, 98 Abs. 1 SGB XII der sach-lich und örtlich zuständige Sozialhilfeträger.
Sinn und Zweck des die Zuständigkeit des ortsnahen Sozialhilfeträgers anord-nenden § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist, im Interesse des Hilfesuchenden eine schnelle und effektive Beseitigung der gegenwärtigen Notlage zu ermöglichen. Dem liegt die Vorstellung zu Grunde, dass der ortsnahe Sozialhilfeträger schnel-ler als der ortsferne in der Lage ist, die erforderlichen Ermittlungen, insbesonde-re zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Hilfesuchenden, vorzunehmen (BVerwG, ebenda).
Daher ist es in der vom Antragsgegner zur Begründung der Zuständigkeit des M. Sozialhilfeträgers herangezogenen ver-waltungsgerichtlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1994, aaO; VGH Baden- Württemberg, Urteil vom 23. November 1995 – 6 S 941/09 , Juris) für Fälle, in denen der Hilfeempfänger sich in regelmäßigem Wechsel an zwei Orten tatsächlich aufhält, für gerechtfertigt erachtet worden, die örtliche Zustän-digkeit des Sozialhilfeträgers an den Ort zu knüpfen, der die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Hilfeempfängers maßgeblich bestimmt und seinen familiären Lebensmittelpunkt bildet. Diese Rechtsprechung beansprucht aber nicht für alle Fälle Geltung, in denen ein Hilfeempfänger sich im regelmäßi-gen Wechsel an zwei Orten tatsächlich aufhält. Der Leitsatz des soeben zitierten Urteils des VGH Baden- Württemberg ist zwar derart abstrakt formuliert, der ausschließliche Bezug auf den konkret entschiedenen Fall wird aber aus den Entscheidungsgründen deutlich. In dem Urteil des BVerwG vom 23. Juni 1994, auf das sich auch der VGH Baden- Württemberg gestützt hat, kommt der Einzel-fallbezug in folgender Formulierung sehr deutlich zum Ausdruck:
"Das Ziel einer möglichst wirksamen sozialrechtlichen Betreuung des im August 1985 erst elf Jahre alt gewesenen Klägers rechtfertigt es daher, die örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers an den Ort zu knüpfen, der die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers maß-geblich bestimmt und seinen familiären Lebensmittelpunkt bildet."