Weiteres Gericht rebelliert:Die Rechtsprechung des BSG zum "schlüssigen Konzept" genügt nicht den Vorgaben des BVerfG vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 - Bundesweit ist es erst einem Jobcenter gelungen, ein schlüssiges Konzept zu erstellen, das vor dem BSG Bestand hatte
Leitsatz
Die Rechtsprechung des BSG zum schlüssigen Konzept genügt nicht den Vorgaben des BVerfG vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, sie bringt keinerlei Rechtssicherheit.
Diese Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum "schlüssigen Konzept" erscheint im Lichte der Entscheidung des BVerfG vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 u. a. – nicht mehr tragfähig ( im Ergebnis ebenso bereits: SG Mainz, Urteil vom 8. Juni 2012 – S 17 AS 1452/09).
So die Rechtsauffassung des heute am 12.04.2013 verööfffentlichten Urteils des Sozialgerichts Dresden Az. S 20 AS 4915/11.
Die Grenzen der möglichen verfassungskonformen Auslegung sind überschritten, wenn die Rechtsprechung selbst ohne entsprechende Vorgaben durch den Gesetzgeber umfangreiche Anforderungen an eine die Existenzsicherung beschränkende Ausfüllung eines unbestimmten Rechtsbegriffes stellt.
Das vom BVerfG geforderte transparente und sachgerechte Verfahren ist nicht eingehalten, wenn der vom Gesetzgeber lediglich vorgegebene unbestimmte Rechtsbegriff "angemessen" (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II a. E.) auf Grund von der Rechtsprechung entwickelter Vorgaben von der zuständigen Behörde ausgefüllt werden muss.
Eine Deckelung der (angemessenen) Bedarfe der Unterkunft, die den Vorgaben des BVerfG genügt, kann daher allenfalls auf der Grundlage von §§ 22a – 22c SGB II erfolgen.
Wie problematisch die Rechtsprechung des BSG zum "schlüssigen Konzept" sich in der Praxis auswirkt, kann bereits daraus ersehen werden, dass es bislang soweit ersichtlich bundesweit erst einem Jobcenter gelungen ist, ein "schlüssiges Konzept" zu erstellen, das vor dem BSG Bestand hatte,
und dass derzeit allein gegen den Grundsicherungsträger vor dem Sozialgericht Dresden eine vierstellige Zahl von Verfahren anhängig ist, in denen der Grundsicherungsträger die geltend gemachten Bedarfe der Unterkunft für unangemessen hält.
Die Rechtsprechung des BSG hat in diesem Kernbereich des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums – die Sicherung der Unterkunft ist eine der wichtigsten Grundlagen der physischen Existenz des Menschen – keinerlei Rechtssicherheit gebracht, sondern vielmehr für einen erheblichen Teil der auf Grundsicherungsleistungen angewiesenen Menschen zu dauerhafter Unsicherheit über einen beträchtlichen Teil der ihnen zustehenden Leistungen geführt.
Sozialgericht Dresden, Urteil vom 25.01.2013 - S 20 AS 4915/11 , Berufung anhängig beim Sächsischen LSG unter dem Az. L 3 AS 689/13