Wenn Jobcenter Hartz IV Bezieher zur Frührente zwingen - Zwang zur Rente durch Jobcenter rechtswidrig
Zwangsverrentung scheint die neue Zauberformel zu sein, um die Arbeitslosenzahlen per Gesetz zu frisieren.
So steht den Jobcentern die Möglichkeit nach § 12a SGB II offen, Hartz IV Empfänger, die das 63. Lebensjahr vollenden haben, zu einem Antrag auf Frührente zu zwingen, schlimmstenfalls kann das Jobcenter sogar selbst einen Antrag für den Hilfebedürftigen bei der Rentenversicherung stellen. http://www.hartz-iv.info/sgb-ii/paragraph12a.html
Die Auswirkungen sind verheerend, denn durch den frühzeitigen Rentenantrag müssen Betroffene erhebliche Einbußen bei ihrer Rente hinnehmen, und das über die Regelaltersgrenze von 67 Jahren hinaus.
Kürzung von 0,3 Prozent der Rente pro Monat dauerhaft
Der finanzielle Schaden einer (erzwungenen) Frührente ist gewaltig. Für jeden Monat, den die Rente vor der Regelaltersgrenze beantragt wird, erfolgt ein Rentenabschlag von 0,3 Prozent. Wer also mit 63 statt 67 (Regelaltersgrenze ab Jahrgang 1964) Frührente beantragt, hat eine dauerhaftes Minus von 14,4 Prozent. Der maximale Rentenabschlag ist bei 18 Prozent gedeckelt.
Für die Zwangsverrentung durch das Jobcenter können im Jahr 2013 die Jahrgänge 1950 herangezogen werden, hier liegt das Renteneintrittsalter bei 65 Jahren und fünf Monaten. Demzufolge belaufen sich die dauerhaften Einbußen auf 29 Monate x 0,3 = 8,7 Prozent.
Für die Jobcenter spielen diese finanziellen Einbußen der Betroffenen jedoch keine Rolle, denn so steht es im Gesetz und außerdem bereinigt es die Arbeitslosen-Statistik.
Zwang zur Rente durch Jobcenter rechtswidrig
Die Jobcenter handeln bei der Zwangsverrentung im Rahmen des Gesetzes und dennoch rechtswidrig – zumindest wenn sie Hartz IV Empfänger pauschal ab dem Alter von 63 Jahren unter Androhung von Leistungsverweigerung zur Rente zwingen. Hier muss der Leistungsträger nach Ermessen handeln und jeden möglichen Antrag einer Einzelfallprüfung unterziehen. Rückenwind bekommen Betroffene bereits von den Landessozialgerichten recht.
Hier haben die Gerichte entschieden, dass die Ermessensentscheidung der Jobcenter nicht erst beim Rentenantrag durch das Amt (§ 5 Abs. 3 SGB II) beginnt, sondern bereits im Vorfeld bei der Aufforderung zum Rentenantrag durch den Hartz IV Bezieher.
Bei der Ermessensentscheidung durch die Jobcenter ist beispielsweise zu berücksichtigen, ob der Rentenanspruch nicht unter den Hartz IV Leistungen liegt, es sich um einen erwerbstätigen Aufstocker handelt oder ob der Leistungsbezieher die SGB II Leistungen nur zusätzlich zu anderen (Versicherungs-)Leistungen wie dem Arbeitslosengeld I erhält.
Anmerkung: Gelungener Beitrag, folgender Hinmeis ist anzumerken:
Die Leistungsberechtigten erhalten einen Bescheid, dass Ihnen keinerlei Leistungen mehr ausgezahlt werden bis die Mitwirkungshandlung nachgeholt wird - der Grundsicherungsträger nach dem SGB II geht davon aus, dass er bei fehlender Mitwirkung der Leistungsberechtigten bei der Rentenantragstellung zur Versagung der Leistungen nach dem SGB II berechtigt ist. Diese Annahme ist falsch und die Rechtsprechung und Kommentierung ist ihm - nicht - gefolgt (vgl. dazu LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12.01.2009, Az.: L 5 B 284/08 AS ER; Burkiczak in: BeckOK SGB II, § 5 Rn.5; Bieback in: Gagel, § 5 SGB II, Rn.87; Luthe in: Hauck/Noftz, SGB II, § 5 Rn. 119a mwN.).
LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12.01.2009, Az.: L 5 B 284/08 AS ER
Eine Leistungsversagung kann nicht darauf gestützt werden, dass der Leistungsberechtigte sich nicht bei der Bundesagentur für Arbeit meldet und deshalb ein (noch) bestehender Restanspruch auf Arbeitslosengeld nicht zur Bedarfsminderung führt.
Eine entsprechende Mitwirkungspflicht ergibt sich weder aus §§ 56 ff. SGB II noch aus § 60 ff. SGB I. Die einzige gesetzliche Sanktion ist insoweit die Berechtigung des Leistungsträgers gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II, selbst den Leistungsantrag zu stellen.
Der Beitrag wurde erstellt von Detlef Brock, langjähriger Sozialberater des RA L. Zimmermann.