Viele Hartz-IV-Empfänger leben auf Pump - Ist der Regelsatz zu knapp?
Von Stefan Vetter
Büro Berlin
Berlin. Jeden Monat müssen weit mehr als 10 000 Hartz-IV-Empfänger ein Darlehen beim Jobcenter aufnehmen, um Anschaffungen zu finanzieren. Linke und Grüne sehen darin einen Beweis, dass der monatliche Regelsatz in Höhe von 382 Euro viel zu knapp bemessen ist. Eigentlich soll der Hartz-IV-Satz den Bedarf an Anschaffungen abdecken. Doch die Stütze reicht dafür häufig nicht aus. Nach einer aktuellen Datenübersicht der Bundesagentur für Arbeit (BA) wurde im Jahresdurchschnitt 2012 bundesweit pro Monat 16 833 Hilfebedürftigen ein Anspruch auf ein Darlehen gewährt. Im Jahresdurchschnitt 2007 waren es noch 12 873 Hilfebedürftige pro Monat gewesen. Auch der Darlehensbetrag ist deutlich gestiegen. 2007 waren es im Durchschnitt 216 Euro pro Fall. 2012 wurden durchschnittlich 298 Euro ausbezahlt.
Für die Wohnungsausstattung einschließlich notwendiger Haushaltsgeräte wie Kühlschrank oder Waschmaschine sind im Sozialgesetzbuch exakt 7,58 Prozent der monatlichen Unterstützung vorgesehen. Macht beim Regelsatz von 382 Euro für einen Einpersonen-Haushalt 28,96 Euro. Dem vermeintlich unbekümmerten Geldausgeben hat das Sozialgesetzbuch durch strenge Rückzahlungsbedingungen einen Riegel vorgeschoben.
Nach Einschätzung der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der Linken, Sabine Zimmermann, belegen die Daten der Bundesagentur, „dass die Höhe der Hartz-IV-Regelsätze nicht ausreicht, um die Grundsicherung des Lebensunterhalts zu gewähren“. Auch Brigitte Pothmer (Grüne) sagte, dass „der Regelsatz zu gering ist“.
Nach §§ 24 Abs. 1 S. 1, 42a Abs. 1 SGB II kann die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis, soweit im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann, den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung erbringen und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen. Weitergehende Leistungen sind ausgeschlossen (§ 24 Abs. 1 S. 3 SGB II).
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass von der Vorschrift des § 24 Abs. 1 S. 1 SGB II nur einmalige, nicht laufende oder wiederkehrende Bedarfe erfasst werden, die vom Regelbedarf i.S.v. § 20 Abs. 1 S. 1 SGB II mit umfasst werden (vgl. BSG Urteil vom 01.06.2010 - B 4 AS 63/09 R, Rn 16 m.w.N.).
§ 24 Abs. 1 S. 1 SGB II schreibt zwingend vor, dass bei einem unabweisbaren Bedarf die Leistungen nur als Darlehen gewährt werden können, eine zuschussweise Leistung ist nicht vorgesehen.
Bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Darlehensgewährung nach § 24 Abs. 1 S. 1 SGB II ist der Leistungsträger in der Wahl der Form der Darlehensgewährung frei. Er kann das Darlehen durch einen Verwaltungsakt oder durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag gewähren
Falls der Leistungsträger die Form eines Verwaltungsakts wählt, kann er das Darlehen mit Nebenbestimmungen (§ 32 SGB X), die u.a. die Darlehensmodalitäten regeln, bewilligen oder in einem ersten Schritt durch einen Grundbescheid entscheiden, ob er ein Darlehen gewährt und in einem zweiten Schritt mit dem Darlehensnehmer durch einen weiteren Verwaltungsakt oder den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages die Darlehensmodalitäten regeln.
Aus der Gewährung eines Darlehens folgt die Rückzahlungspflicht eines Darlehensnehmers, da diese der Rechtsnatur eines Darlehens immanent ist. Die Gewährung bzw. die Bewilligung eines Darlehens umfasst inhaltlich auch die Rückzahlungspflicht des Darlehensnehmers.
Die Rückzahlungsmodalitäten von Darlehen nach den Vorschriften des SGB II sind seit dem 01.01.2011 in der Vorschrift des § 42a SGB II (in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.2011, BGBl I 850) geregelt (vgl. hierzu BSG Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 26/10 R, Rn 16).
Nach § 42a Abs. 2 S. 1 SGB II, der im wesentlichen inhaltlich der bis zum 31.12.2010 geltenden Vorschrift des § 23 Abs. 1 S. 3 SGB II entspricht, wird ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 S. 1 SGB II durch eine monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs des Darlehensnehmers getilgt.
Die Regelung des § 42a Abs. 2 S. 1 SGB II sieht mithin die Tilgung eines Darlehens nach § 24 Abs. 1 S. 1 SGB II zwingend vor.
Für die Gewährung einer von vornherein rückzahlungsfreien Darlehensleistung fehlt es im SGB II an einer Rechtsgrundlage (vgl. zur Vorgängervorschrift des § 23 Abs. 1 S. 3 SGB II: BSG Urteil vom 10.05.2011 - B 4 AS 11/10 R).