Der 11.Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass eine Beschwerde gegen die Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs möglich ist. (z.B. NZS 2012,716)
Die anderen Landessozialgerichte sind dagegen anderer Meinung wegen des eindeutigen Wortlauts des § 172 Abs.2 SGG, wonach Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht mit der Beschwerde angefochten werden können, in Verbindung mit der Gesetzesbegründung in der es heißt: § 172 Abs 2 SGG geht als speziellere Norm dem § 46 Abs.2 ZPO vor, so dass weiterhin Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht mit der Beschwerde angefochten werden könne Ich habe in einer Anmerkung zu der Entscheidung des LSG NRW vom 7.5.2012 dessen Argumentation , dass es wenig überzeugend sei, wenn der auslegungstechnisch nicht tragfähigen Meinung des „Gesetzgebers“ beigetreten wird, zugegebenermaßen stark kritisiert. (NZS 2012, 719/720)
In einer Entscheidung vom 24.9.2012 (Az.: L 11 U 416/12 B) hat das LSG NRW auf meine Anmerkung mit noch härteren Formulierungen wie z.B. :
Der Beitrag von Wedel ist nun gänzlich ungeeignet zu einer anderen Auffassung zu kommen sowie: Die Bezeichnung als contra-legem-Entscheidung ist vollends abwegig, geantwortet.
Dazu kann ich nur sagen: Wer im Glashaus sitzt sollte nicht mit Steinen werfen Wenn neben mir auch noch etliche andere Landessozialgerichte der ständigen Rechtsprechung des LSG NRW nicht zu folgen vermögen, sollte man seine Argumentation schon etwas mehr hinterfragen und zumindest seine Wortwahl im Rahmen halten. (anderer Meinung als das LSG NRW sind auch: LSG Berlin (28.11.2012, L 1 SV 1/12 B), das sogar ausdrücklich meine Bezeichnung als „contra legem-Entscheidung“ argumentativ verwendet; LSG Bayern (2.7.2012, L 9 SF 147/12 AB; LSG Baden-Württemberg (2.7.2012, L 13 AS 2584/12 B) und LSG Sachsen-Anhalt (28.6.2012, L 5 AS 136/12 B))
Das LSG hat zunächst am Anfang seiner Entscheidungsbegründung dargelegt, dass die Meinungsäußerung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Verfassungsorgane bzw. von Mitgliedern dieser Organe zwar zur Kenntnis zu nehmen sei, diese jedoch für die Auslegung von nachrangiger Bedeutung sei. Es komme auf den objektivierten Willen des Gesetzgebers an, in dessen Bestimmung die Motive des Gesetzgebers allenfalls sekundär einfließen können.
Im Schlussteil der Entscheidungsbegründung führt das LSG dann aus, dass meine Behauptung fehlgehe, dass das LSG die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht gewürdigt habe. Dem Senat sei nicht unbekannt geblieben, dass das Bundesverfassungsgericht den Regelungsabsichten des Gesetzgebers im Gegensatz zu früheren Entscheidungen nunmehr stärkere Bedeutung beimisst.
Wie dies mit den Aussagen am Anfang der Entscheidungsbegründung zusammenpassen soll ist mir ein Rätsel.
Dem LSG ist weiterhin auch noch entgegenzuhalten, dass die Gesetzesmaterialien die in der Entscheidung gestellte Frage eindeutig beantworten und damit die Entscheidung auch „bestimmen“ können.
Durch den eindeutigen Wortlaut des § 172 Abs.2 SGG in Verbindung mit der klaren Aussage in der Gesetzesbegründung, wonach dieser dem § 46 Abs. 2 ZPO als speziellere Norm vorgeht, ist auch die Bezeichnung als
„contra-legem-Entscheidung“ gerechtfertigt.
Auch der Gesetzgeber sieht sich jetzt wegen der abweichenden Meinung des LSG zu einer Klarstellung genötigt. In den Gesetzesmaterialien des BUK-NOG (Ausschussdrucksache 17(11)1145, S.31 heißt es diesbezüglich in der Stellungnahme des Bundes Deutscher Sozialrichter:
„Da vereinzelt (LSG NRW,…, NZS 2012,716 m. krit. Anmerkung Wedel) auch die gegenteilige Ansicht vertreten wird, bedarf es einer Klarstellung durch den Gesetzgeber.“.