Jobcenter muss im Einzelfall Mietschulden übernehmen, obwohl der Leistungsberechtigte seine Mietkosten zum Kauf von Medikamenten zweckentfremdet hat
Kranke Hartz IV-Empfängerin,die in einer notstandsähnlichen Konfliktsituation die vom Jobcenter zielgerichtete Mietzahlungen zum Kauf von Medikamenten zweckentfremdet hat ,kann dennoch Anspruch auf Übernahme der Mietschulden haben (Leitsatz des Verfassers).
So geurteilt vom Hessischen LSG, Beschluss vom 17.05.2013 - L 9 AS 247/13 B ER.
1. Bei dem Erfordernis, dass die darlehensweise Übernahme von Mietschulden „gerechtfertigt“ sein muss (§ 22 Abs. 8 SGB II) , handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der wertend unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles auszulegen ist.
2. Im Falle einer krankheitsbedingt notstandsähnlichen Konfliktsituation, in der ein Hilfebedürftiger Leistungen für Kosten der Unterkunft zweckfremd für den Kauf von Medikamenten verwendet hat, kann die Übernahme von Mietschulden dennoch gerechtfertigt sein. Diese Auslegung des § 22 Abs. 8 SGB II gebietet Art. 2 Abs.1 GG iVm. dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) sowie Art. 2 Abs. 2 Satz 1 (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BVerfG 347/98).
3. Fehlt es an den materiellen Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung des Mietvertrages gem §§ 543, 569 BGB, ist ein Anordnungsgrund jedenfalls nicht glaubhaft gemacht. 4.Grundsätzlich gehört zur Selbsthilfepflicht der Hilfebedürftigen auch die Inanspruchnahme zivilrechtlichen Eilrechtsschutzes.
5. Den Grundsicherungsträger trifft die Obliegenheit , den Leistungsberechtigten zu beraten und in die Lage zu versetzen, dass dieser von den Selbsthilfemöglichkeiten Gebrauch machen kann (siehe Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Februar 2012, Az.: 7 AS 1716/11 B). https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esg...=esgb&id=150407
Der Beitrag wurde verfasst von Detlef B - Sozialberater des RA Ludwig Zimmermann.