Wer als Hartz-IV-Betroffener mit dem Folgeantrag für Arbeitslosengeld II nicht auch seine Kontoauszüge der letzten drei Monate vorlegt, bekomme kein Geld, beklagt ein Kalbenser. Die Mitarbeiter im Jobcenter könnten doch selbst auf die Konten schauen, täten dies aber angeblich aus Zeitmangel nicht, meint er.
Kann man in SGB-II-Behörden tatsächlich die Konten von Kunden einsehen oder von diesen verlangen, darüber genau informiert zu werden? Lässt sich das mit Bankgeheimnis und Datenschutz vereinbaren?
Doch sagt der Bundesdatenschutzbeauftragte:
Wer Leistungen nach dem SGB II beantragt, ist verpflichtet, das Jobcenter über alle Konten mit aktuellem Kontostand, erteilte Freistellungsaufträge für Kapitalerträge sowie andere Vermögensverhältnisse zu informieren, weil diese Angaben zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit benötigt werden.
Im Zweifelsfall Anfrage bei Bundeszentralamt
Bei Zweifeln hinsichtlich Vollständigkeit der Angaben kann die SGB-II-Behörde über ein Ersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) einen Kontendatenabruf in Gang setzen.
"Voraussetzung ist, dass ein vorheriges Auskunftsersuchen beim Leistungsberechtigten nicht zum Ziel geführt hat oder keinen Erfolg versprechen würde, die Daten zur Überprüfung des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen erforderlich sind und die Informationen nicht mit einfacheren Mitteln beschafft werden können", so der Bundesbeauftragte für den Datenschutz auf seiner Internetseite.
Das BZSt dürfe dem Jobcenter aber nur Name und Geburtsdatum des Kontoinhabers und anderer Verfügungsberechtigter, Name und Anschrift eines abweichend wirtschaftlichen Berechtigten, das Datum der Eröffnung und gegebenenfalls der Auflösung des Kontos sowie die Kontonummer mitteilen - nicht jedoch den Kontostand oder getätigte Umsätze.
Darüber hinaus gleicht das Jobcenter vierteljährlich die ALG-II-Bezieher mit den von Kreditinstituten und Versicherungen an das Bundeszen-tralamt für Steuern gemeldeten Kontoinhabern ab, die für Kapitalerträge einen Freistellungsauftrag erteilt haben. Aus diesem automatisierten Datenabgleich erfährt es, bei welcher Bank im Kalenderjahr des Leistungsbezuges oder im vorangegangenen Jahr wie hohe Kapitalerträge erzielt wurden. Hierbei werden dem Jobcenter aber weder Kontonummer noch Kontostand und auch keine Umsätze mitgeteilt.
Anders als vom Leser aus der Altmark angenommen, kann den Angaben des Datenschutzbeauftragten zufolge ein Jobcenter also nicht einfach auf die Konten der Kunden schauen. Um zu erfahren, wie viel Geld Betroffene dort haben - oder auch nicht - bedarf es deren Mitwirkung.
Dazu sind sie allerdings verpflichtet. Das hat das oberste deutsche Sozialgericht bestätigt:
Ein Jobcenter darf die Vorlage der Kontoauszüge bei der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II regelmäßig für einen zurückliegenden Zeitraum von drei Monaten verlangen, egal, ob es sich um einen Erstantrag, einen Folgeantrag oder eine einmalige Leistung handelt (BSG vom 19.02.2009, Az. B 4 AS 10/08 R).
Doch ist immer auch auf die Möglichkeit zur Schwärzung einzelner Passagen hinzuweisen, betont der Bundesdatenschutzbeauftragte.
Das betrifft allerdings nur Ausgabebuchungen und dabei spezielle personenbezogene Daten. Nach der Schwärzung des genauen Namens des Empfängers müssen Texte wie Mitgliedsbeitrag, Zuwendung oder Spende erkennbar bleiben.
Vorlage der Unterlagen reicht in der Regel aus
Zudem weist der Datenschützer darauf hin, dass das Jobcenter einzelne Buchungen oder Auszüge nur speichern darf, wenn sich daraus weiterer Ermittlungsbedarf oder eine Änderung in der Leistungshöhe ergibt. Ansonsten genüge ein Vermerk in der Akte Betroffener, dass die Auszüge vorgelegen und keine Auswirkung auf den Leistungsanspruch haben.
Überhaupt seien ALG-II-Bezieher meist nur zur Vorlage von Unterlagen verpflichtet.
Kopien dürfen nur angefertigt werden, wenn dies zur Bearbeitung des Leistungsantrags unerlässlich ist. In der Regel unzulässig sei die Anfertigung von Kopien bei Bank- und Sparkassenkarten, Sparbüchern, Vaterschaftsanerkennungen, Unterhaltstiteln und Scheidungsurteilen.
Anmerkung vom Sozialberater Detlef Brock: Guter, für Jedermann verständlicher Artikel.
Gesetzliche) Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind nicht von vornherein unzulässig, sondern der Einzelne muss Beschränkungen seines Rechts hinnehmen, die durch ein überwiegendes Allgemeininteresse gerechtfertigt sind (BVerfG 25.02.2008 - 1 BvR 3255/07 = NJW 2008, 1435; BVerfG 13.08.2009 - 1 BvR 1737/09).
Bei der Überprüfung von Sozialleistungen handelt es sich um die Verfolgung eines bedeutsamen Gemeinwohlbelangs (BVerfG 13. 6. 2007 - 1 BvR 15550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05 = BVerfGE 118, 168, 193). Zudem widerspreche es dem Gedanken des sozialen Rechtsstaates, das Mittel der Allgemeinheit mangels genügender Kontrolle auch dann in Anspruch genommen werden können, wenn wirkliche Bedürftigkeit nicht vorliegt (zur Arbeitslosenhilfe BVerfG 16. 12. 1958 - 1 BvL 3/57, 1 BvL 4/57, 1 BvL 8/58 = BVerfGE 9, 20, 35).
Die darüber hinaus bestehende Auskunftspflicht von Banken nach § 60 Abs. 2 SGB II führt nicht dazu, die Mitwirkungsobliegenheiten des Hilfebedürftigen nach § 60 SGB I zu begrenzen, so dass dieser zum Beispiel zur Vorlage von Kontoauszügen verpflichtet bleibt.