Hartz IV- Anspruch auf Regelleistung entfällt nicht bei Auszug aus gemeinsamer Wohnung, wenn sich der Leistungsbezieher tagsüber im zeit- und ortsnahen Bereich aufhält, seine Ehefrau ihn sofort über eingehende Post informiert und diese weiterleitet.
Eine Verfügbarkeit iSd § 119 Abs 5 SGB III ist keine Anspruchsvoraussetzung für den Leistungsbezug nach dem SGB II.
Ein Leistungsanspruch des Klägers ist auch nicht durch seinen Aufenthalt außerhalb der gemeinsamen Wohnung, die er als Anschrift in den Leistungsanträgen gegenüber dem Beklagten angegeben hatte, entfallen. Nach § 7 Abs 4a 1.HS SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (FortentwG) vom 20.07.2006 (BGBl I 1706) erhält derjenige keine Leistungen nach dem SGB II, der sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) vom 23.10.1997 (ANBA 1997, 1685), geändert durch die Anordnung vom 16.11.2001 (ANBA 2001, 1476), definierten zeit- und ortsnahen Bereiches aufhält. Die übrigen Bestimmungen dieser Anordnung gelten entsprechend (§ 7 Abs 4a 2.HS SGB II).
Eine Definition des zeit- und ortsnahen Bereiches ergibt sich damit aus § 2 Satz 1 Nr 3 Satz 2 EAO (vgl Beschluss des Senats vom 20.12.2010 - L 11 AS 798/10 B ER - zitiert nach juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.03.2008 - L 7 B 315/07 AS - zitiert nach sozialgerichtsbarkeit.de; SG Hildesheim, Urteil vom 18.02.2009 - S 43 AS 1230/07 - zitiert nach juris; Hänlein in: Gagel, SGB II/SGB III, Stand: 01/2009, § 7 Rn 84b). Die Heranziehung weiterer Vorschriften der EAO, insbesondere der Erfordernisse in § 1 EAO (so offensichtlich Thie/Schoch in: LPK-SGB II, 4. Aufl, § 7 Rn 111) oder der übrigen Regelungen des § 2 EAO (so offenbar ohne Begründung SG Frankfurt, Urteil vom 22.07.2010 - S 24 AS 1080/08 - zitiert nach juris) zur Definition des zeit- und ortsnahen Bereich ist nicht möglich (vgl Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl, § 7 Rn 78 aE mwN).
Demnach gehören zum Nahbereich alle Orte in der Umgebung des Beklagten, von denen aus der Leistungsberechtigte erforderlichenfalls in der Lage wäre, den Beklagten täglich ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen.
Der Kläger hielt sich im streitgegenständlichen Zeitraum zur Überzeugung des Senats in A-Stadt, mithin im zeit- und ortsnahen Bereich auf. So hat er angegeben, innerhalb der Stadt bei seiner Schwägerin übernachtet und sich tagsüber ebenfalls im Stadtgebiet bei seinen Freunden bzw Eltern aufgehalten zu haben.
Eine Verfügbarkeit iSd § 119 Abs 5 SGB III ist keine Anspruchsvoraussetzung für den Leistungsbezug nach dem SGB II. Vor der Einführung des § 7 Abs 4a SGB II fehlte eine entsprechende Regelung zu den Folgen eines Aufenthaltes außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches, wobei dies aber Gegenstand einer Eingliederungsvereinbarung sein konnte. Ein Verstoß konnte dann eine Sanktion nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1b SGB II (in der bis 31.03.2011 geltenden Fassung; jetzt § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II) auslösen.
Diese Sanktion wollte der Gesetzgeber (vgl BT-Drs 16/1696 S 26) verschärfen, um ortsabwesende Leistungsberechtigte zu einer Rückkehr und zur aktiven Mitwirkung an der Eingliederung in den Arbeitsmarkt, insbesondere in Fällen eines Auslandsaufenthaltes bei aufrechterhaltenem gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, zu bewegen (vgl auch Hänlein aaO Rn 84a). Mit der Einführung des § 7 Abs 4a SGB II durch das FortentwG hat der Gesetzgeber folglich nur einen Leistungsausschluss im Falle eines Aufenthaltes außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners regeln, nicht aber die weiteren Verfügbarkeitsvoraussetzungen des § 119 Abs 5 SGB III in das SGB II einführen wollen (vgl BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 3/05 R - Rn 16 - zitiert nach juris = SozR 4-4200 § 16 Nr 1; Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: 01/2012, § 7 Rn 263; in diesem Sinne auch SG Hildesheim aaO; Spellbrink aaO).
Der Leistungsbezug des Klägers scheitert somit nicht an dessen fehlender Verfügbarkeit (iSd § 119 Abs 5 SGB III), denn die EAO setzt den Begriff der "Verfügbarkeit" als gesetzliche Anspruchsvoraussetzung voraus und definiert diesen lediglich (Beschluss des Senats vom 23.09.2010 - L 11 AS 586/10 B ER - zitiert nach juris). Die Anordnung der entsprechenden Geltung der Vorschriften der EAO in § 7 Abs 4a 2.HS SGB II betrifft insofern im Kern nur die Regelungen über das Genehmigungsverfahren für einen Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs in § 3 EAO, so dass eine täglich Erreichbarkeit des Leistungsberechtigten unter seiner Postanschrift für einen Leistungsanspruch nach dem SGB II nicht erforderlich ist (Valgolio aaO Rn 262 f; anders ohne Begründung: BayLSG, Urteil vom 28.10.2010 - L 8 AS 215/10 - ).
Auch die Neuregelung des § 7 Abs 4a SGB II (nF) durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl I 453) führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Danach erhalten nunmehr erwerbsfähige Leistungsberechtigte keine Leistungen, wenn sie sich ohne Zustimmung des zuständigen Trägers nach diesem Buch außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhalten und deshalb nicht für die Eingliederung in Arbeit zur Verfügung stehen (Satz 1). Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn für den Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs ein wichtiger Grund vorliegt und die Eingliederung in Arbeit nicht beeinträchtigt wird (Satz 2).
Die Sätze 3 bis 5 legen insbesondere dar, was ein wichtiger Grund ist und wie lange eine Ortsabwesenheit dauern kann. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs 17/3404 S 92) wird mit der Änderung klargestellt, dass nur erwerbsfähige Leistungsberechtigte bei unerlaubter Ortsabwesenheit ihren Leistungsanspruch verlieren und die fehlende Verfügbarkeit für Eingliederungsleistungen weitere Voraussetzung ist.
Daraus kann nicht geschlossen werden, die Erreichbarkeit des Leistungsberechtigten werde alleine anspruchsbegründend vorausgesetzt, denn eine diesbezüglich fehlende "Verfügbarkeit" führt nur dann zu einem Leistungsausschluss, wenn diese kausal auf einer unerlaubte Ortsabwesenheit beruht, § 7 Abs 4a Satz 1 SGB II nF.
Dass nunmehr das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in § 13 Abs 3 SGB II ermächtigt wird, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates nähere Bestimmungen zum zeit- und ortsnahen Bereich (§ 7 Abs 4a SGB II) sowie dazu zu treffen, wie lange und unter welchen Voraussetzungen sich erwerbsfähige Leistungsberechtigte außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhalten dürfen, ohne Ansprüche auf Leistungen nach diesem Buch zu verlieren, ändert ebenfalls nichts. Damit soll ein "Systembruch" beseitigt werden, da die bisherigen Anordnungen von der Bundesagentur für Arbeit durch deren Verwaltungsrat als Selbstverwaltungsorgan erlassen wurden (§ 373 Abs 5 SGB III), der für die Ausführung des SGB II gerade keinerlei Zuständigkeiten hat (vgl Thie/Schoch aaO Rn 110).
Zudem wird das Bundesministerium gerade nicht ermächtigt, weitere Ausschlusstatbestände für eine Leistungsgewährung zu schaffen, die über die Ortsabwesenheit hinausgehen. Um einen solchen Fall der Ortsabwesenheit geht es vorliegend aber gerade nicht. Im Übrigen hätte der Gesetzgeber für den Fall, dass er tatsächlich auch einen Leistungsausschluss bei einer fehlenden Verfügbarkeit unabhängig von der unerlaubten Ortsabwesenheit wollte, dies entsprechend ausdrücklich regeln können, da im Hinblick auf die oben zitierten Rechtsprechungsnachweise und Kommentarstellen die Problematik offensichtlich war und ist.