Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 16.02.2012, - L 3 AS 189/11 -
Denn entscheidend ist nicht die tatsächliche Zahlung eines bestimmten Geldbetrags unmittelbar an den Hilfebedürftigen oder die tatsächliche Gutschrift zugunsten des Hilfebedürftigen, sondern ob die Aufwendungen für Unterkunft oder Heizung durch die Rückzahlung oder das Guthaben tatsächlich gemindert werden (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 16. Juli 2009 – L 5 AS 81/08 – JURIS-Dokument Rdnr. 25 ff.; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. September 2009 – L 6 AS 11/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 24 ff.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Oktober 2010 – L 3 AS 3759/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 29 ff.). Dies ist der Fall, wenn dem Hilfebedürftigen die Mittel aus der Gutschrift oder der Rückzahlung zur Verfügung stehen.
Diese Verfügungsmöglichkeit hatte der Kläger.
In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2008 – B 14/7b AS 10/07 R – SozR 4-4200 § 11 Nr. 11 Rdnr. 25 = JURIS-Dokument Rdnr. 25; BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 29/07 R – BSGE 101, 291 ff. Rdnr. 19 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 15 Rdnr. 19 = JURIS-Dokument Rdnr. 19) ist geklärt, dass der bedarfsmindernden Berücksichtigung einer Einnahme nicht entgegen steht, dass diese zur Schuldentilgung verwendet wurde.
Bei der Tilgung von Verbindlichkeiten handelt es sich lediglich um eine bestimmte Form der Einkommensverwendung. Die Einnahme verliert durch die konkrete Form der Verwendung nicht ihren Charakter als Einkommen (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2001 – 5 C 4/2000 – DÖV 2001, 782 = ZFSH/SGB 2001, 542 = JURIS-Dokument Rdnr. 9).
Ein Hilfesuchender ist aber im Rahmen der ihm obliegenden Selbsthilfemöglichkeiten gehalten, alle zumutbaren, kurzfristig realisierbaren Möglichkeiten zu nutzen, um ohne staatliche Hilfe seinen notwendigen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten (vgl. § 2 Abs. 2 SGB II). Die Subsidiarität der staatlichen Fürsorge schließt eine Leistungsgewährung nach dem SGB II aus, soweit der Hilfesuchende ihm zu Verfügung stehende Geldmittel nicht für die Bestreitung seines Lebensunterhalts einsetzt, sondern zur Tilgung privater Schulden verwandt hat. Ein Leistungsbezieher kann daher während des Bezugs von SGB II-Leistungen nicht über die an sich zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts einsetzbaren Geldmittel in der Weise disponieren, dass er diese Mittel nicht zur Bestreitung seines Lebensunterhalts einsetzt, sondern – aufgrund freiwilliger Disposition – mit ihnen private Verbindlichkeiten tilgt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 15. April 2011 – L 13 AS 333/10 JURIS-Dokument Rdnr. 34).
Werden verfügbare Mittel gleichwohl nicht für den Lebensunterhalt eingesetzt, muss sich der Hilfebedürftige so behandeln lassen, als ob die Tilgung der Verbindlichkeiten nicht erfolgt wäre (Sächs. LSG, Beschluss vom 14. April 2005 – L 3 B 30/05 AS ER – NZS 2006, 107 ff. = JURIS-Dokument Rdnr. 37).
Anmerkung von Willi 2: § 22 Abs.3 SGB II kann nur dann Anwendung finden, wenn dem Hilfebedürftigen eine Rückzahlung oder ein Guthaben zufließt, über das er tatsächlich verfügen kann (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 14.01.2011, L 19 AS 1608/10 B;
; SG Neubrandenburg, Urteil vom 06.05.2009, S 11 AS 1042/08).
Dies folgt schon aus dem Wortlaut der Vorschrift; denn eine Rückzahlung oder ein Guthaben ist begrifflich mit einer tatsächlichen Verfügungsberechtigung verbunden. Dies ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, denn nur dann, wenn dem Hilfebedürftigen tatsächlich Mittel zur Verfügung stehen, mit denen er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, kommt eine Minderung der Leistungen nach dem SGB II in Betracht, weil ansonsten eine Bedarfsunterdeckung bestünde.
Auch aus dem Sinnzusammenhang mit § 11 SGB II folgt, dass nur solche Mittel angerechnet werden können, die dem Hilfebedürftigen tatsächlich zufließen (vgl. SG Bremen, Beschluss vom 01.12.2009, S 23 AS 2179/09 ER; Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 11 Rn. 18 zur Zuflusstheorie).