Jobcenter übernimmt keine Mietschulden , wenn es an einer Räumungsklage fehlt Keine Übernahme von Mietschulden, denn fehlt es an einer Räumungsklage, so kann ein Anordnungsgrund damit nicht als glaubhaft angesehen werden.
So die Rechtsauffassung des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen,Beschluss vom 20.03.2012, - L 12 AS 352/12 B ER -
In einem auf die Gewährung laufender Leistungen für Unterkunft und Heizung gerichteten Verfahren ist ein Anordnungsgrund regelmäßig erst dann gegeben, wenn konkrete Wohnungslosigkeit droht (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 13.01.2012 - L 12 AS 2084/11 B ER; Beschluss vom 25.11.2011 - L 12 AS 1831/11 B E; ebenso z.B. LSG NRW, Beschluss vom 02.05.2011 - L 6 AS 2215/10 B; Beschluss vom 27.11.2008 - L 9 B 183/08 AS ER).
Dies ist grundsätzlich nicht bereits dann der Fall, wenn eine Kündigung des Vermieters wegen Mietverzugs ernsthaft erwartet werden muss oder bereits vorliegt oder der Vermieter eine Räumungsklage angedroht hat. Allein diese Umstände begründen zwar die Vermutung, dass womöglich in näherer oder weiterer Zukunft Wohnungslosigkeit drohen könnte; sie führen hingegen in der Regel nicht dazu, dass der Leistungsberechtigte bereits mit konkreter, d.h. tatsächlich und ernsthaft (kurz) bevorstehender Wohnungslosigkeit rechnen muss.
Solch konkrete Wohnungslosigkeit droht regelmäßig dann, wenn der Vermieter Räumungsklage erhoben hat (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats vgl. z.B. Beschluss vom 13.01.2012 - L 12 AS 2084/11 B ER; Beschluss vom 21.12.2011 - L 12 AS 1469/11 B ER m.w.N.; LSG NRW Beschluss vom 12.01.2012 - L 19 AS 1781/11 B ER; weitergehend LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 25.11.2010 - L 5 AS 2025/10 B ER: erst bei Räumungsandrohung), weil der Mieter einer Wohnung nach den gesetzlichen Bestimmungen des Zivilprozessrechts (zwangsweise) erst dann aus der Wohnung gewiesen werden kann, wenn der Vermieter einen vollstreckbaren Räumungstitel gegen ihn erworben hat (§ 704 Zivilprozessordnung).
Bei (bloßer) Kündigung oder Klageandrohung ist in der Regel noch nicht ausreichend klar, ob der Vermieter tatsächlich zu einer Räumung als letztem Mittel der Wahl greifen würde oder ob Kündigung bzw. Klageandrohung nicht vielmehr (zunächst) dem Zweck dienen, den Mieter mit höchstem Nachdruck zur Erfüllung seiner Mietpflichten zu bewegen.
Die Erhebung einer Räumungsklage hingegen indiziert - insbesondere auch im Hinblick auf den hierfür regelmäßig vom Vermieter zunächst zu entrichtenden Kostenvorschuss - dessen ernsthafte Absicht, den Mieter wegen der Mietschulden tatsächlich auch zwangsweise aus der Wohnung zu entfernen bzw. entfernen zu lassen. Erhebt der Vermieter des Leistungsberechtigten gegen diesen - zu Recht - eine Klage auf Räumung des Wohnraums nach §§ 543 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 569 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), so kann der Räumungstitel vom Leistungsberechtigten nicht mehr verhindert werden, wenn es diesem nicht gelingt, die Rückstände gem. § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB entweder selbst auszugleichen oder eine Verpflichtung des Leistungsträgers zum Ausgleich zu erlangen.
Anders als noch vor Klageerhebung ist nach Rechtshängigkeit der Klage kein weiteres aktives Handeln des Vermieters mehr erforderlich, um einen Räumungstitel und damit die Berechtigung zu erlangen, Wohnungslosigkeit des Mieters unmittelbar herbeizuführen (vgl. auch LSG NRW Beschluss vom 16.09.2010 - L 6 AS 949/10 B ER).
Entsprechend droht ab diesem Zeitpunkt ernsthaft und konkret zeitnah absehbar für den Leistungsberechtigten der Verlust des Mietobjekts, wenn nicht eine Befriedigung des Vermieters innerhalb von 2 Monaten ab Rechtshängigkeit der Räumungsklage (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) erfolgt. Diese drohende Konsequenz spiegelt auch die Vorschrift des § 22 Abs. 9 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII vom 24.03.2011 wider, die aus diesem Grund eine Mitteilungspflicht der Amtsgerichte an die Leistungsträger über entsprechende Klageeingänge normiert.
Weigert sich der Leistungsträger, die Befriedigung des Vermieters vorzunehmen, so würde ohne Eilentscheidung des Gerichts über die Frage der Eintrittspflicht eine Räumung möglich und damit Nachteile für den Leistungsberechtigten eintreten, die im Hauptsacheverfahren nicht mehr behoben werden könnten. Bis zu einer solchen Räumungsklage ist es dem Leistungsberechtigten aus den o.g. Gründen hingegen zumutbar, zunächst ein Hauptsacheverfahren zu betreiben.
Eine besondere Eilbedürftigkeit vor Rechtshängigkeit einer Räumungsklage ergibt sich auch nicht daraus, dass der Leistungsberechtigte die Kosten des gegen ihn angestrengten zivilgerichtlichen Räumungsverfahrens nach dem Veranlassungsprinzip auch dann zu tragen hat, wenn der Leistungsträger im sozialgerichtlichen Eilverfahren zur vorläufigen Befriedigung des Vermieters verpflichtet wird. Bei diesen Kosten handelt es sich nicht um Nachteile, die sich im Hauptsacheverfahren nicht wieder gutmachen ließen.
Hat der Leistungsträger die Zahlung der ausstehenden Mieten rechtswidrig verweigert, so ist er im Hauptsacheverfahren auf Antrag des Leistungsberechtigten zur Zahlung dieser Mieten und darüber hinaus zur Übernahme der dem Leistungsberechtigten durch die Leistungsverweigerung entstandenen weiteren Kosten, d.h. konkret der Kosten des zivilgerichtlichen Räumungsverfahrens zu verurteilen.
Dies entspricht der im Sozialversicherungsrecht als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens geltenden Pflicht zur Erstattung der Kosten, die im Fall rechtswidriger Leistungsablehnung angefallen sind (vgl. Löns/Herold-Tews/Boerner, SGB II, 3. Aufl. 2011, § 22 Rn 128 unter Verweis auf BSG Urteil vom 17.06.2010 - B 14 AS 58/09 R Rn 21 - BSGE 106, 190).
Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertritt, dass eine Eilbedürftigkeit hier deshalb anzunehmen sei, weil der Vermieter die angedrohte Räumungsklage (allein) aufgrund einer Bitte des Sozialgerichts aufgeschoben habe, so vermag dies nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen. Allein die Androhung einer Räumungsklage begründet - wie bereits ausgeführt - noch keine konkrete, d.h. tatsächlich und ernsthaft (kurz) bevorstehende Wohnungslosigkeit, weil der Vermieter für eine Räumung einen vollstreckbaren Räumungstitel benötigt, den er erst nach der tatsächlichen Erhebung der Räumungsklage erlangen kann.
Nach Auffassung des erkennenden Senats trägt das Erfordernis einer Räumungsklage für Bedarfe der Unterkunft, die im Rahmen von Eilverfahren geltend gemacht werden, dem Bedürfnis nach einer klaren Regelung unter Abwägung der Interessen des Antragstellers am Erhalt der Wohnung einerseits und der Notwendigkeit, nur solche Verfahren als eilbedürftig vorzuziehen, bei denen ansonsten nicht wieder gut zu machende Nachteile entstünden, Rechnung. In diese Abwägung sind wie oben erläutert auch die - von der Antragstellerin angesprochenen - durch die Räumungsklage entstehenden Kosten einbezogen worden.
Anmerkung von Willi 2: Kosten der Unterkunft - wann wird von den Gerichten ein Anordnungsgrund gesehen
Sollte dies bei ihnen der Fall sein lassen Sie sich beraten.
Kosten der Unterkunft - wann wird von den Gerichten ein Anordnungsgrund gesehen Kosten der Unterkunft - wann wird von den Gerichten ein Anordnungsgrund und Eilbedürftigkeit gesehen.
Positive Entscheidungen: 1. Sozialgericht Lüneburg Beschluss vom 16.05.2011, - S 45 AS 183/11 ER -
Der erforderliche Anordnungsgrund ergibt sich bereits aus der Erwägung, dass Leistungsbeziehern nach dem SGB II die ihnen zustehenden existenzsichernden Leistungen nicht länger, d.h. bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens, vorenthalten werden können.
Das gilt auch mit Blick auf die Kosten der Unterkunft.
Es ist nicht der in der Rechtsprechung vereinzelt vertretenen Auffassung zu folgen , hinsichtlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung könne ein Anordnungsgrund nur dann bejaht werden, wenn der Hilfesuchende glaubhaft macht, dass ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung unmittelbar mit einer Kündigung oder Räumungsklage zu rechnen ist (wie hier auch LSG Nds.-Bremen, Beschl. v. 23.02.1011 - L 9 AS 1287/10 B ER -).
2. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen , Beschluss vom 24.02.2010,- L 7 AS 1446/09 B ER -
Ein über Art 1 GG als Existenzminimum gewährleistetes Wohnen bedeutet nicht nur ein Dach über den Kopf t, sondern auch das Wohnen in Räumen mit einer angemessenen Raumtemperatur (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen , Beschluss vom 28.05.2009, - L 7 AS 546/09 ER-).
3. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg beschluss vom 30.06.2011, - L 25 AS 535/11 B ER -
Hat der Vermieter noch keine Räumungsklage erhoben und auch keinen Räumungstitel erwirkt , hat aber das Mietverhältnis wegen seinerzeit bestehender Mietrückstände von damals schon mehr als zwei Monatsmieten fristlos gekündigt ,und von weiteren rechtlichen Schritten zuletzt nur im Hinblick auf das laufende vorläufige Rechtsschutzverfahren abgesehen, ist vor diesem Hintergrund hier eine gerichtliche Intervention bereits jetzt geboten, zumal durch sie unnötige Mehrkosten vermieden werden können, die durch jeden weiteren rechtlichen Schritt des Vermieters anfallen würden (vgl. zum Vorstehenden auch Beschluss des Senats vom 28. Dezember 2010 - L 25 AS 2343/10 B ER).
4.Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 28.02.2011, - L 14 AS 205/11 B ER -
Der Hilfebedürftige wird – solange er im Leistungsbezug steht – zumeist auf die Übernahme der Unterkunftskosten durch den Grundsicherungsträger angewiesen sein (BSG, Urteil vom 7. Mai 2009 – B 14 AS 31/07 R –).
Vor diesem Hintergrund hat jeder erwerbsfähige Hilfebedürftige Anspruch darauf, dass ihm die ihm von Gesetzes wegen zustehenden Leistungen so rechtzeitig erbracht werden, dass er in der Lage ist, seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Vermieter von Wohnraum ebenfalls rechtzeitig zu erfüllen.
Das Risiko einer Kündigung von Wohnraum oder eines Prozesses wegen verspäteter Zahlung des Mietzinses (mit der damit verbundenen Kostenfolge) oder gar einer Klage auf Räumung ist ihm in aller Regel nicht zuzumuten (zuletzt Beschluss des Senats vom 31. August 2010 – L 14 AS 1263/10 B ER –).
Ein Anordnungsgrund wird dementsprechend bei glaubhaft gemachtem Anordnungsanspruch regelmäßig nur dann zu verneinen sein, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige die tatsächlichen Aufwendungen jedenfalls vorläufig aus nicht zu berücksichtigendem Einkommen ("Freibeträge") oder Vermögen ("Schonvermögen") tätigen kann.
5.Negative Entscheidungen - Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschlüsse vom 25.05.2011, - L 12 AS 381/11 B ER - und - L 12 AS 422/11 B -
Ist lediglich die fristlose Kündigung der Wohnung ausgesprochen, aber Räumungsklage noch nicht erhoben, so fehlt es am erforderlichen Anordnungsgrund in Gestalt eines unaufschiebbaren eiligen Regelungsbedürfnisses zur Bewilligung von Kosten der Unterkunft bzw. Übernahme von Mietschulden durch Erlass einer einstweiligen Anordnung, weil dann gegenwärtig weder Wohnungs- noch gar Obdachlosigkeit droht (vgl. Senat, Beschluss v. 04.09.2009 - L 12 B 69/09 AS ER - Rdnr. 4 ; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 06.08.2009 - L 18 AS 1308/09 B ER, L 18 AS 1309/09 B PKH - Rdnr. 2 ).
6. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 26.01.2011, - L 5 AS 2197/10 B ER -
Bezüglich der Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung ist ein Anordnungsgrund erst anzunehmen, wenn eine Räumungsankündigung vorliegt, so dass der Wohnraumverlust konkret droht.
Dazu eine Anmerkung vom RA L. Zimmermann, der diesen Beschluss sehr kritisch sieht:
Für den 5.Senat des LSG Berlin Brandenburg droht ein wesentlicher Nachteil erst, wenn die Räumung droht. Diese Auslegung verkennt meines Erachtens sowohl den Schutz der Exsitenzsicherung, als auch das Gebot des effektiven Rechtsschutzes. Auch der Begriff "wesentlicher Nachteil" wird verkannt wenn auf die konkrete Räumungsgefahr abgestellt wird. Hier wird kein besonders schwerer Nachteil verlangt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG) sondern nur ein wesentlicher Nachteil.
Wegen des Rechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs.4 GG) sei hier auf die Entscheidung des BVerfG vom 12.05.2005 1 BvR 569/05. D.h. zur Sicherung der physischen Existenz gehört nicht nur die Ernährung, sondern auch die Unterkunft (BVerfG 9.02.2010 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09 Rn. 135).
D.h. wenn bereits die Kündigung droht, ist die physische Existenz bedroht. Zahlt das Jobcenter zuwenig Kosten der Unterkunft, ist bereits in dem Zeitpunkt, in dem alsbald zwei Monatsmieten offen sind, die Unterkunft bedroht.
Nur eine an dem Bedarfsdeckungsgrundsatz orientierte Leistung bewahrt den Hilfebedürftigen vor einer Gefährdung seiner physischen Existenz.
Das Existenzminimum muss zeitnah gedeckt werden (Gegenwärtigkeitsprinzip vgl. Rothkegel Sozialhilferecht, Baden Baden 2005). Das Verfahrensrecht hat hier nur dienende Funktion (vgl. hierzu BVerfG 22.11.2002 1 BvR 1586/02 Off-Label.Therapie).
Der Bedarfsdeckungsgrundsatz mit dem Gegenwärtigkeitsprinzip folgt bereits aus Art 1 Abs.1 Art 20 Abs.1 GG (BVerfG 9.2.2010 1 Bvl 1/09, 3/09, 4/09 Rn. 140).
Hierzu gehört auch, dass dem Hilfebedürftige ein Geldbetrag zeitnah zur Verfügung gestellt wird, dass er seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommen kann. Die Rechtsprechung, die einen Anordnungsgrund bei drohendem Wohnungsverlust erst annimmt, wenn bereits die Räumung aus einem Räumungsurteil unmittelbar bevorsteht, übersieht zudem, dass § 86b Abs. 2 SGG nur einen wesentlichen Nachteil verlangt und nicht eine absolute Existenzgefährdung. Der wesentliche Nachteil liegt bereits in der berechtigten Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter bei Zahlungsverzug. Ausserdem ist es mit der Würde des Menschen unvereinbar, wenn er gezungen wird, sich vertragswidrig zu verhalten.