Wer in der Vergangenheit Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II - „Hartz 4“) bezogen hat, kann sich nicht darauf verlassen, dass das Jobcenter auch eine Nebenkostennachzahlung übernimmt.
Dies zeigt der Fall einer Frau aus Mainz, die im Dezember 2011 von ihrem früheren Vermieter die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2010 mit einer Nachzahlung von 400,- € erhielt. Die Frau war zwar aktuell nicht mehr von Leistungen des Jobcenters abhängig, aber im Jahr 2010 hatte sie mangels Einkommen und Vermögen noch Arbeitslosengeld II bezogen. Damals waren auch die Mietkosten durch das Jobcenter übernommen worden. Mittlerweile hatte sich die Dame beim Jobcenter abgemeldet und war auch umgezogen. Weil es sich um eine Nachforderung für das Jahr 2010 handelte, versuchte die Frau den Betrag vom Jobcenter zu erhalten.
Gleichzeitig wandte sie sich an das Sozialgericht Mainz und begehrte Eilrechtsschutz (Az.: S 10 AS 200/12 ER).
Sie sah sich im Recht, da sie keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der Erstellung der Abrechnung habe. Denn wäre die Abrechnung noch 2010 erfolgt, hätte das Jobcenter die Kosten übernehmen müssen. Ein langwieriges Widerspruchs- und Klageverfahren könne sie aus finanziellen Gründen nicht abwarten. Das Gericht wies die Rechtssuchende aber darauf hin, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II grundsätzlich nur dann bewilligt werden können, wenn aktuell Hilfebedürftigkeit besteht.
Dies sei bei der Frau aber offenbar nicht mehr der Fall, da sie mittlerweile nicht auf Leistungen des Jobcenters angewiesen ist. In diesem Fall muss ein ehemaliger Leistungsempfänger eine nachträglich geltend gemachte Forderung selbst begleichen, auch wenn sich die Forderung auf den Zeitraum des Leistungsbezugs bezieht.
Zusätzlich wies das Gericht darauf hin, dass nur dann gerichtlicher Eilrechtsschutz gewährt werden kann, wenn ohne einen gerichtlichen Beschluss wesentliche Nachteile drohen. Dies war bei der Mainzerin aber nicht der Fall. Für eine Eilbedürftigkeit muss z.B. der Verlust der Wohnung drohen, was bei ihr aufgrund des erfolgten Umzuges nicht zu erwarten war.
Anmerkung von Willi 2: Eine Nebenkostennachforderung seitens des Vermieters kann nur dann eine Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu Gunsten eines Hilfebedürftigen darstellen , wenn zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung ein Leistungsanspruch dem Grunde nach, d. h. alle Anspruchsvoraussetzungen des § 7 SGB II, gegeben sind(vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2010 - B 4 AS 62/09 R , Rz. 12, 13 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).
Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Leistungsträger eine Betriebs- und Heizkostennachforderung als Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu übernehmen hat, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt.
Nach Auffassung des Bundessozialgerichts handelt es sich bei der Übernahme einer Betriebs- und Heizkostennachzahlung um eine einmalige Leistung nach § 22 Abs. 1 SGB II, die als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen, nicht aber auf längere Zeiträume zu verteilen ist. Nachforderungen, die nach regelmäßiger Übernahme der Nebenkostenvorauszahlungen bzw. -abschläge entstehen, gehören als einmalig geschuldete Zahlungen zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat (BSG Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R = juris Rn 16; vom 22.03.2010 - B 4 AS 62/09 R = juris Rn 13; vom 17.06.2010 - B 14 AS 58/09 R = juris Rn 19).
Das Bundessozialgericht knüpft dabei an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Bundessozialhilfegesetz (Urteil vom 04.02.1988 - 5 C 89/85 = BVerwGE 79,46) an, wonach ausgehend vom Gegenwärtigkeitsprinzip Sozialhilfe für eine nach dem Ablauf der Heizperiode vom Vermieter geforderte Nachzahlung von Heizkosten nur zu leisten ist, wenn im Zeitpunkt der Nachforderung die Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe vorliegen, unabhängig davon, ob der Hilfebedürftige während der Heizperiode hilfebedürftig gewesen ist oder nicht.