BA-Vorschläge zur Instrumentenreform 2012 Die BA hat Vorschläge erarbeitet, die die im Koalitionsvertrag formulierten (überwiegend) abstrakten Ziele in konkrete Entwürfe weiterformieren. Die Kriterien, an denen sich die Instrumentenreformvorschläge der BA orientieren sind: - Wirkungsorientierung (Erhöhung des Eingliederungserfolges, Vermeidung von Mitnahme und Missbrauch), - Bürokratieabbau (Transparenz und dadurch verbessertes Verständnis bei den Kunden, Prozessoptimierung sowie Vereinheitlichung der Arbeitsmittel), - Flexibilität der Ausgestaltung (neue Modelle in der Zusammenarbeit mit Dritten, Vermeidung von unflexiblen Detailregelungen), - Individualität (Vermittlungshemmnisse sollen im Einzelfall schnell beseitigt werden), - Stärkung der dezentralen Handlungskompetenz (Die Fachkräfte können bezogen auf den jeweiligen Arbeitsmarktkontext entscheiden), - Klarheit und Transparenz bei den Maßnahmezielen, - Wirtschaftlichkeit (Produktausgestaltungen, die die Erreichung der jeweiligen Förderziele auf die sparsamste Weise ermöglichen) Die BA-Vorschläge greifen die bewährten Ansätze der zurückliegenden Reform auf und verstärken sie durch die Integration weiterer Instrumente. Dabei werden aktuelle (wissenschaftliche) Befundlagen berücksichtigt. Ein vereinfachtes und zugleich flexibler ausgestaltetes Instrumentenportfolio gewährleistet, dass im Wesentlichen alle gegenwärtigen Fördermöglichkeiten bestehen bleiben. Eine zahlenmäßige Reduzierung der Instrumente muss (vor allem in der öffentlichen Debatte) getrennt werden, von der ebenfalls politischen Entscheidung, mit welchem Budgetumfang, für welche Zielstellung bzw. Personengruppen von der Verwaltung Ergebnisse erwartet werden. Ziel ist nicht die Einschränkung der Fördermöglichkeiten, sondern vielmehr eine inhaltliche Ausweitung durch ein höheres Maß an Flexibilität bei der Erfüllung der Kernaufgaben. Gleichwohl gilt es zudem zu prüfen, etwa im Bereich der Weiterbildungsförderung, auf welche Förderaktivitäten die Beitragsmittel bzw. die Mittel der öffentlichen Arbeitsverwaltung konzentriert werden sollten. Verfahrenseckpunkte aus Sicht der BA - Die BA bereitet sich auf die Einführung bzw. Umsetzung der gesetzgeberischen Entscheidungen zum 01.01.2012 vor. - Um die mit einer Instrumentenreform einhergehenden umfangreichen Anpassungen in den IT-Verfahren vornehmen zu können, benötigt die BA einen Vorlauf von mindestens neun Monaten. Die IT-Anpassungen sind sowohl für die operative Umsetzung vor Ort als auch für die Berichterstattung eine zwingende Voraussetzung. Für die Beauftragung der IT-Programmierungen ist zwingende Voraussetzung und Grundlage die Kenntnis über die konkrete gesetzliche Ausgestaltung der Neuregelungen. - In der Vergangenheit hat die BA stets bewiesen, dass sie in der Lage ist, sehr schnell und kurzfristig gesetzliche Änderungen umzusetzen (z. B. zuletzt bei den Veränderungen i. R. der Konjunkturpakete). Gleichwohl sollte der parlamentarische Prozess darauf ausgerichtet werden, dass spätestens zum Ende des ersten Quartals 2011 die Beschlussempfehlungen der Ausschussberatungen zum Gesetzesentwurf vorliegen. - Die BA prüft aktuell im Rahmen einer Arbeitsgruppe die weiteren notwendigen Rahmenbedingungen, um eine reibungslose Einführung ohne Förderbrüche bzw. Versorgungslücken zu gewährleisten. So wird geprüft, ob und inwieweit ggf. gesetzliche Übergangsregelungen notwendig sind, da etwa vertragliche Verpflichtungen auf im Wege der Vergabe eingekauften Maßnahmen eingegangen wurden. Die Arbeitsgruppenergebnisse liegen Ende Oktober 2010 vor. - BA kann dem BMAS hausintern abgestimmte Detail- bzw. Formulierungsvorschläge zu einer Instrumentenreform Anfang November 2010 vorlegen. - Für die BA-Arbeitsplanung 2011 wäre eine parlamentarische Zeitschiene der Gesetzgebung schon heute hilfreich; sie sollte spätestens bis Ende des Jahres 2010 vorliegen. - Nach Vorliegen erster Gesetzesentwürfe/Formulierungshilfen bedarf es einer engen Abstimmung über Veränderungen zwischen BMAS und BA, so dass parallel zum Gesetzgebungsverfahren der Einsatz der neuen/veränderten Instrumente durch die BA vorbereitet werden kann. Die nachfolgende Anlage enthält eine Skizze der BA-Vorschläge (SGB III- und SGBIIVorschläge) strukturiert nach - Individuellen Integrationshilfen - Maßnahmen der Arbeitsförderung am Arbeitsmarkt - Maßnahmen der Arbeitsförderung am Ausbildungsmarkt - Zuschüsse an Arbeitgeber - Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit und Stabilisierung von Selbständigkeit - Qualifizierung beschäftigter Arbeitnehmer - Öffentlich geförderte Beschäftigung - Experimentierklausel/Freie Förderung Anlage Skizze der aktuellen BA-Vorschläge 1. Individuelle Integrationshilfen Förderung aus dem Vermittlungsbudget (§ 45 SGB III) § 45 SGB III in der geltenden Form sollte unverändert fortgeführt werden. Zu überlegen ist, ob die Förderleistung, die auf eine versicherungspflichtige Beschäftigung abzielt, für Arbeitslose mit Anspruch auf Arbeitslosengeld um das Ziel der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit erweitert werden kann. Vermittlungsgutschein (§ 421g SGB III) Der Vermittlungsgutschein sollte in beiden Rechtskreisen in Form einer Ermessenleistung fortgeführt werden. Die marktgerechte Ausgestaltung sollte sich am monatlichen Bruttoarbeitsentgelt (erster Beschäftigungsmonat) des vermittelten Arbeitnehmers ausrichten. Zur Sicherung der Nachhaltigkeit sollte der private Arbeitsvermittler diese Vermittlungsprovision in zwei Raten für seine Maklertätigkeit erhalten. 2. Maßnahmen der Arbeitsförderung am Arbeitsmarkt Mit der Einführung des § 46 SGB III wurden in einem ersten Schritt viele Instrumente am Arbeitsmarkt zusammengefasst, erweitert und im Wege des Vergaberechts zur Verfügung gestellt. Daneben besteht als weiteres Hauptinstrument noch die Förderung der beruflichen Weiterbildung. Bei beiden Instrumenten erfolgt eine Beauftragung von privaten Anbietern. § 46 und FbW werden nach unterschiedlichen Verfahren beauftragt. § 46 über die Vergabeverfahren nach der VOL/A, FbW nach dem Bildungsgutscheinverfahren. Beide Verfahren bieten Vor- und Nachteile, die in Abhängigkeit des Einzelfalles bzw. der spezifischen Maßnahme individuell abzuwägen sind. Der Einkauf von Arbeitsmarktdienstleistungen schafft eine hohe Markttransparenz und führt damit zu einer wirtschaftlichen Beschaffung. Allerdings hat die Reglementierung der öffentlichen Vergabe in der Vergangenheit in einigen Fällen zu suboptimalen Vergabeentscheidungen geführt. Insbesondere muss die jeweilige Maßnahme über einen längeren Zeitraum geplant werden können. Im Qualifizierungsbereich kann dies nicht immer gewährleistet werden. In solchen Fällen können Gutscheine eine passgenauere Förderung für den einzelnen Kunden ermöglichen. Umgekehrt können durch Gutscheinsysteme aber auch Ineffizienzen entstehen, da nicht jeder Kunde eine hinreichend hohe Markttransparenz hat und die verfügbaren Kapazitäten nur suboptimal ausgelastet werden können. Deshalb sollte die Entscheidung für die Vergabe oder den Gutschein im Einzelfall getroffen werden können. In jedem Fall sind dabei Mechanismen der Qualitätssicherung und der erfolgsabhängigen Preisgestaltung zu nutzen, um hohe Qualität und Wirkung zu erzielen. Lösungsansatz im Rahmen der Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 46 SGB III) Es sollte die Möglichkeit eröffnet werden, im besonderen Einzelfall auf das Vergaberecht zu verzichten und die Kosten im Rahmen eines Gutscheins zu übernehmen, wenn durch die vergaberechtlichen Bestimmungen die Arbeitsaufnahme verzögert und die Arbeitslosigkeit verlängert wird. Das Gutscheinverfahren gilt nur für Maßnahmen mit einer Dauer von bis zu 8 Wochen. Ferner sollte die gesetzliche Grundlage des § 46 SGB III die Möglichkeit bieten, auch längerfristige Qualifizierungsmaßnahmen unter Beachtung des Vergaberechts durchzuführen. Dazu ist es erforderlich, die Begrenzung bei der Vermittlung von beruflichen Kenntnissen auf acht Wochen aufzuheben. Ergänzende Schärfungen im Bereich der Förderung der beruflichen Weiterbildung (§§ 77 ff SGB III) Geringqualifizierte (Personen ohne Berufsabschluss bzw. Wiederungelernte), die arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit bedroht sind, können mit dem Regelinstrumentarium des § 77 Abs. 1 SGB III gefördert werden. Einer Spezialregelung für Geringqualifizierte im Sinne des § 77 Abs. 2 SGB III bedarf es nicht. Mit Blick auf die Konzentration der Fördermittel auf die originären Aufgaben der BA sollte die Möglichkeit des Erwerbs des Hauptschulabschusses für erwachsene Arbeitslose, die bisher nur wenig in Anspruch genommen wurde und die die Integrationschancen i. d. R. kaum verbessert, ersatzlos entfallen. Darüber hinaus bedarf es einer Präzisierung bei der Förderung nicht verkürzbarer Ausbildungen (§ 85 Abs. 2 SGB III) sowie einer Stärkung der Sanktionsmöglichkeiten der BA in § 86 SGB III. 3. Maßnahmen der Arbeitsförderung am Ausbildungsmarkt Neben den von anderen Zuständigen (z. B. Länder, Kommunen, BMBF) angebotenen Maßnahmen enthält der Instrumentenkoffer der BA ein komplexes Angebot an Maßnahmen zum Übergang von der Schule in die Ausbildung, die teilweise zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Biografie des Jugendlichen, teilweise jedoch auch parallel bzw. ergänzend ansetzen. Die bestehenden Instrumente sollen zusätzlich zu den allgemeinen Kriterien für die Neuausrichtung insbesondere mit der Zielsetzung weiterentwickelt werden: • erkennbare Schwierigkeiten möglichst frühzeitig zu bearbeiten (Ausbau des präventiven Angebots), • mehr Ausbildungssuchende mit Vermittlungshemmnissen möglichst direkt in betriebliche Ausbildung zu integrieren und • das Maßnahmeangebot betriebsnah auszugestalten. Zu den einzelnen Instrumenten: 3.1 Instrumentenstraffung Im Sinne einer übersichtlichen Gestaltung des Maßnahmeangebotes sollten folgende Leistungen entfallen: Sozialpädagogische Begleitung (§ 243 Abs. 1 SGB III) Die bisher mögliche sozialpädagogische Begleitung soll über ausbildungsbegleitende Hilfen gemäß § 241 SGB III bereitgestellt werden und kann damit entfallen. Benachteiligte Teilnehmer an einer betrieblichen Berufsausbildungsvorbereitung nach dem BBiG sollen abH erhalten können. Ausbildungsmanagement (§ 243 Abs. 2 SGB III) Das Instrument kann entfallen. In seiner augenblicklichen Ausgestaltung ist die Förderung des Ausbildungsmanagement an die Unterstützung eines konkreten benachteiligten Auszubildenden gebunden. Dies grenzt den Wirkungsbereich der Förderleistung stark ein und hat zu einer sehr geringen Inanspruchnahme geführt. Für ein sinnvolles, nicht an konkrete Auszubildende gebundenes und flächendeckendes Angebot an Unterstützungsleistungen für Betriebe – wie es teilweise im Rahmen des Programms „Jobstarter“ gefördert wird - wird keine vorrangige Finanzverantwortung bei der BA gesehen. Rechtsanspruch auf Nachholen des Hauptschulabschlusses im Rahmen einer BVB (§ 61a SGB III) Durch die Beschlüsse der „Qualifizierungsinitiative für Deutschland“ und die Verstärkung präventiver Unterstützungsleistungen für Schüler (insbesondere Berufseinstiegsbegleitung nach § 421s und demnächst im Rahmen des BMBF-Programms „Bildungsketten“) werden die Chancen schwacher Schüler, den Hauptschulabschluss im Rahmen des allgemeinbildenden Schulsystems zu erreichen erheblich verbessert. Die Vorbereitung auf den nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses im Rahmen von BVB sollte auf Jugendliche beschränkt werden mit guter Erfolgsprognose und Motivation für die Erreichung des Abschlusses. Ein Rechtsanspruch ist dafür entbehrlich. 3.2 Präventive Maßnahmen Im Sinne eines Ausbaus und einer Konsolidierung präventiver Maßnahmen gemeinsam mit anderen Akteuren, insbesondere den Ländern sollten die Möglichkeiten der Förderung von Maßnahmen der vertieften Berufsorientierung nach § 33 S. 3 bis 5 SGB III, auch mit den Erweiterungen nach § 421q SGB III (Verlängerung der Befristung bis 2013) erhalten bleiben. Weiter soll die Förderung der Berufseinstiegsbegleitung (§ 421s SGB III) flächendeckend ermöglicht werden. Die Förderung soll im Sinne einer Konzentration knapper Mittel auf die Personengruppe mit dem höchsten Förderbedarf und den größten Schwierigkeiten beim Übergang in – in der Regel betriebliche – Berufsausbildung begrenzt bleiben. Für die erfolgreiche Durchführung der Berufseinstiegsbegleitung ist eine enge und vertrauensvolle Kooperation zwischen der Schule, den Berufseinstiegsbegleitern und der Berufsberatung unerlässlich, eine entsprechende gesetzliche Verankerung sollte daher vorgesehen werden. Zudem sollte im Gesetz verdeutlicht werden, dass zur dauerhaften Absicherung einer Ausbildungsaufnahme ein enges Zusammenspiel mit den Trägern von ausbildungsbegleitenden Hilfen für einen möglichst reibungslosen Übergang der Betreuung erforderlich ist. 3.3 Betriebsnahe Ausgestaltung der Maßnahmen Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (§ 61 SGB III) Die Beschränkung der im Einzelfall zulässigen Anteile betrieblicher Phasen in BvB sollte aufgehoben werden. Nach den Ergebnissen der Evaluation haben sich betriebspraktische Phasen als besonders förderlich für die Eingliederung in Ausbildung erwiesen, während die Vermittlung von Qualifizierungsbausteinen wegen der geringeren Eingliederungswirkung nur auf geringe Akzeptanz trifft. Die bisherige Obergrenze von sechs Monaten betrieblicher Praktikumsphasen je Ausbildungsjahr bei den Maßnahmen der außerbetrieblichen Ausbildung (§ 242 SGB III) kann in Einzelfällen mögliche und sinnvolle höhere betriebliche Anteile verhindern. Die stufenweise Überführung in eine betriebliche Ausbildung wird hierdurch erschwert. Daher sollt die Befristung betrieblicher Praktikumsphasen auf 6 Monaten entfallen. 3.4 Direkter Übergang in Ausbildung Mit einem Zuschuss zur Ausbildungsvergütung an den Ausbildungsbetrieb zum Ausgleich zusätzlicher Aufwände der Betriebe für die Ausbildung und Betreuung von Ausbildungssuchenden mit Vermittlungshemmnissen könnte mehr Ausbildungsbewerbern der direkte Zugang in Ausbildung zu ermöglicht werden. Eine solche Förderung kann auch dazu beitragen, • die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen zu reduzieren und • die Zahl der Übergänge aus einer außerbetrieblichen in die betriebliche Ausbildung zu erhöhen. Wie durch die Begleitforschung zur Einstiegsqualifizierung (§ 235b SGB III) im Auftrag des BMAS nochmals bestätigt wird, werden Einstiegsqualifizierungen weitaus überwiegend für ausbildungsreife Jugendliche angeboten und durchgeführt. Vor dem Hintergrund des sich zunehmend abzeichnenden Fachkräftemangels sollte vermieden werden, dass • sich die Zeiten bis zum Berufsabschluss durch vorgeschaltete Einstiegsqualifizierungen unnötig verlängern und • Ausbildungsstellen dadurch unbesetzt bleiben, weil sich ausbildungsreife Jugendliche in anderen Betrieben in einer Einstiegsqualifizierung befinden. Ausbildungsreife Jugendliche sollten vielmehr direkt in betriebliche Ausbildung einmünden, ggf. mit Förderung durch abH und/oder Ausbildungszuschuss. Die Maßnahmen des Übergangssystems dagegen sollten auf nicht ausbildungsreife Jugendliche fokussiert werden. Bei entsprechender Gestaltung von BVB mit höheren Praxisanteilen für nicht ausbildungsreife Jugendliche einerseits und die Möglichkeit der Förderung mit Ausbildungszuschuss für ausbildungsreife Jugendliche mit Vermittlungshemmnissen könnte ein gesondertes Instrument der Einstiegsqualifizierung entbehrlich werden. Bei der außerbetrieblichen Ausbildung nach § 242 SGB III sollte die Zugangsvoraussetzung einer mindestens 6-monatigen Teilnahme an BvB entfallen. Es sollte in das Ermessen der Beratungsfachkräfte gestellt werden, ob vor der Zuweisung in eine außerbetriebliche Berufsausbildung ein berufsvorbereitendes Angebot als erforderlich angesehen wird. Eine gesetzliche Vorgabe, wird dem Einzelfall ggf. nicht gerecht. 4. Zuschüsse an Arbeitgeber Alle Zuschüsse, die die Arbeitgeber in Abweichung ihres geplanten Rekrutierungsverhaltens zur Einstellung einer Person mit Wettbewerbsnachteilen bewegen, werden zusammengefasst. Durch den Gesetzgeber wird lediglich die maximal zulässige Förderdauer und –höhe geregelt. Die Auswahl der Kunden, für die die angestrebten Beschäftigungseffekte durch Zuschüsse an Arbeitgeber erzielt werden können, muss stets vor dem Hintergrund des individuellen Handlungsbedarfs der Kunden erfolgen. Entsprechend ist die Entscheidung zur notwendigen Höhe des Zuschusses vor dem Hintergrund der individuellen Defizite und Hemmnisse zu treffen. Die passgenaue Personen- und Arbeitgeberauswahl schränkt Mitnahmeeffekte ein. Eine detaillierte gesetzliche Definition der Personenkreise und/oder Höhe der Förderung vermindert die Passgenauigkeit der Förderung. Alle nachfolgenden Zuschüsse an Arbeitgeber können in einem Instrument gebündelt werden (§§ 217 ff SGB III) • Eingliederungszuschüsse (allgemein sowie schwerbehinderte und sonstige behinderte Menschen) §§ 218 SGB III • Eingliederungszuschuss für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen § 219 SGB III • Eingliederungsgutschein § 223 SGB III • Eingliederungszuschuss für ältere Arbeitnehmer § 421 f SGB III • Qualifizierungszuschuss für jüngere Arbeitnehmer? § 421o SGB III • Eingliederungszuschuss für jüngere Arbeitnehmer* § 421 p SGB III 5. Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit und Stabilisierung von Selbständigkeit Gründungszuschuss (§§ 57 und 58 SGB III) Der Gründungszuschuss sollte in eine Ermessenleistung umgewandelt werden. Dadurch wird der Handlungsspielraum der AA erhöht, insbesondere in Bezug auf den Einsatz alternativer Arbeitsmarktinstrumente, die Ausgabensteuerung sowie die Vermeidung von Mitnahmeeffekten. • Die Vorbereitung der Gründung und nachgehendes Coaching zur Sicherung bzw. Überprüfung der Nachhaltigkeit sollte für beide Rechtskreise in § 46 SGB III synchronisiert werden – auch für Einzelmaßnahmen (analog Einzelmaßnahmen bei Trägern). • Die Gründungsförderung selbst sollte soweit wie möglich mit dem SGB III synchronisiert werden (z.B. im Rahmen des Gründungszuschusses als Ermessensleistung) zur Sicherung des Lebensunterhalts in der ersten Phase der Selbständigkeit ? Aktuell befristet bis 31.12.2010 – keine Verlängerung 6. Qualifizierung beschäftigter Arbeitnehmer Die BA sollte künftig ihre Finanzmittel für die Weiterbildungsförderung nach dem SGB III wieder verstärkt auf die Arbeitslosen und von Arbeitslosigkeit Bedrohten konzentrieren. Lebenslanges Lernen und betriebliche Weiterbildung liegen in erster Linie im Verantwortungsbereich von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Zu überlegen ist, diese vollständig über den ESF zu finanzieren. Damit könnte § 235 c SGB III entfallen, ferner sollte keine weitere Verlängerung des § 417 SGB III erfolgen. Zur Änderung des § 77 Abs. 2 SGB III siehe unter Ziffer 2. 7. Öffentlich geförderte Beschäftigung im SGB II und SGB III Die öffentlich geförderte Beschäftigung beider Rechtskreise setzt sich derzeit aus zahlreichen Instrumenten und Modellprojekten zusammen (ABM, AGH-MAE, AGH-E (2x), BEZ, Bürgerarbeit). Diese sollten zu einem Instrument zusammengefasst und nach folgenden Kriterien geregelt werden: • Erhaltung der individuellen Anwendungsbandbreite (Heranführung, Stabilisierung, Marktersatz) • Vermeidung von Substitutions- und Mitnahmeeffekten sowie von Wettbewerbsverzerrungen • Einfache und unbürokratische Abrechnung durch Pauschalierungen • Kofinanzierungsmöglichkeiten durch Dritte sicherstellen • Vermeidung von Drehtüreffekten (keine Neuansprüche auf Versicherungsleistungen) Die Öffentlich Geförderte Beschäftigung sollte daher gebündelt werden in einem neuen SGB II - Produkt „Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit (BFM)“, das der AGH-MAE-Variante entspricht. Arbeitsverhältnisse am regulären Arbeitsmarkt werden ausschließlich über einen flexibilisierten EGZ (Arbeitstitel „Integrationskostenzuschuss“) gefördert. Dieser EGZ sollte idealerweise rechtskreisübergreifend angelegt sein. Merkmale „Maßnahme zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit“ BFM • Zusammenfassung aller Ausprägungen der bisherigen ÖGB. • Rechtssicherheit durch einfache und präzise gesetzliche Regelungen im SGB II • Zwingende Beteiligung der Arbeitsmarktpartner im lokalen Konsens. • Kein Arbeitsverhältnis / Beitragsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung. • Die Maßnahmen sind mit anderen SGB-II-Regelleistungen und Leistungen Dritter / ESF-Mitteln kombinierbar. Während BFM laufen Integrationsbemühungen (intensive Betreuung durch IFK). • Als BFM-Einsatzbereiche werden ausschließlich Heranführung und Stabilisierung/ Vorbereitung definiert. In diesem Rahmen sind sämtliche Maßnahmeziele, Zielgruppen und Zeithorizonte realisierbar. Zusätzliche Anreize können über eine Vermittlungs-/Integrationsprämie geschaffen werden. • Für Qualifizierungsanteile wird eine Obergrenze festgelegt (Abgrenzung zu 46er- Maßnahmen). • Einfache und unbürokratische Bewilligung und Abrechnung (Pauschalierungen, umfassende Flexibilität bei der Art der Gewährung) • Nur eine Variante: BFM entspricht AGH-MAE (die bisherigen AGH-Entgeltvarianten entfallen ersatzlos). Die Höhe der Maßnahmekostenpauschale wird begrenzt • Befristung auf maximal 12 Monate individuelle Zuweisungs-/Förderdauer Integrationskostenzuschuss (SGB-II-III-EGZ) Der Bereich Marktersatz entfällt für BFM. Es gibt nur noch einen, im SGB II wie SGB III für alle Zielgruppen / Fallgestaltungen / Profillagen / Handlungsstrategien vollständig flexibilisierten EGZ (Arbeitstitel: „Integrationskostenzuschuss-IKZ“), der für schwer vermittelbare eHB die nachhaltige Integration in voll versicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse am ersten Arbeitsmarkt befristet unterstützt (ggf. auch nach BFM oder aus BFM heraus). Im Rahmen von Obergrenzen für die Förderdauer und Förderhöhe könnten alle linearen und degressiven Zuschussformen einzelfallspezifisch und zweckgebunden zum Einsatz kommen (z.B. Zuschuss zum Arbeitsentgelt, Übernahme von SV-Beiträgen, Pauschalen für Probebeschäftigung, Einstellungsprämie, Prämien für Entfristung, Einmalzahlungen). 8. Experimentierklausel/Freie Förderung Die im § 421 h SGB III und im § 16 f SGB II getroffenen Regelungen werden unverändert fortgeführt. 9. Bundesprogramme Bundesprogramme, wie z. B. Perspektive 50plus oder Bürgerarbeit, werden grundsätzlich anlassbezogen, zeitlich befristet und mit dem Ziel aufgesetzt, mit neuen Ansätzen und Kampagnencharakter höhere Wirkungen zu erzielen als dies bei vergleichbaren Aktivitäten im Regelgeschäft derzeit möglich ist. Bundesprogramme werden daher auch über Zielvereinbarungen des BMAS durch die BA gesteuert und als Darunter-Größen in der Zielnachhaltung ausgewiesen sowie nach einer Erprobungs- und Evaluationsphase und – sofern erfolgreich – unter Beibehaltung von Kampagnen - in das Regelgeschäft und das Regelprodukt-Portfolio überführt, um einer zukünftigen Zersplitterung der Instrumente vorzubeugen. Bundesprogramme behalten nur dann ihren politischen Kampagnencharakter und erhalten auch nur dann die erforderliche Aufmerksamkeit der Fach- und Führungskräfte vor Ort, wenn sie in der Anzahl begrenzt bleiben (wie aktuell bei der parallelen Durchführung von Bürgerarbeit und 50+) und zeitlich terminiert sind. Bei der Neuausrichtung der Instrumente ist zu berücksichtigen, dass die Regelinstrumente von SGB III und SGB II den dort formulierten Zielen abschließend (auch ohne Einbeziehung von Bundesprogrammen wie z.B. Gründercoaching Deutschland oder ESF-BAMF-Programm) gerecht werden.