Die Voraussetzungen des Vorliegens einer solchen Wirtschaftsgemeinschaft von mehreren in einer Wohnung zusammen lebenden Verwandten oder Verschwägerten müssen vom jeweiligen Grundsicherungsträger positiv festgestellt werden (anders jetzt wohl die Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zu § 9 SGB II RdNr 9 und 23).
Keinesfalls kann, was offensichtlich der Rechtsansicht der Beklagten entspricht, davon ausgegangen werden, dass § 9 Abs 5 SGB II eine Vermutungsregelung auch dahingehend enthält, dass bereits dann, wenn Verwandte und Verschwägerte nur gemeinsam in einer Wohnung zusammen leben, immer vom Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft ausgegangen werden kann.
Eine gesetzliche Vermutung auch für das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft enthält § 9 Abs 5 SGB II gerade nicht.
Dies folgt insbesondere aus einem Vergleich des § 9 Abs 5 SGB II mit der Regelung des § 36 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). § 36 Satz 1 SGB XII lautet: "Lebt eine Person, die Sozialhilfe beansprucht (nachfragende Person), gemeinsam mit anderen Personen in einer Wohnung oder in einer entsprechenden anderen Unterkunft, so wird vermutet, dass sie gemeinsam wirtschaften (Haushaltsgemeinschaft) und dass sie von ihnen Leistungen zum Lebensunterhalt erhält, soweit dies nach ihrem Einkommen und Vermögen erwartet werden kann."
Eine entsprechende Vermutungsregelung fehlt in § 9 Abs 5 SGB II. Der Gesetzgeber hat - wie der Wortlaut der beiden Vorschriften ausweist - im SGB II gerade darauf verzichtet zu normieren, dass bei einem Zusammenleben von Verwandten oder Verschwägerten in einer Wohnung bereits das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft vermutet werden kann.
Dass der Gesetzgeber des SGB II entsprechende Vermutungsregelungen aufstellen kann, steht außer Frage. Er hat von dieser Möglichkeit etwa durch die Neuregelungen des § 7 Abs 3a SGB II Gebrauch gemacht.
Mithin ist davon auszugehen, dass es zunächst einer positiven Feststellung des Grundsicherungsträgers bedarf, dass ein Wirtschaften aus einem Topf (Haushaltsgemeinschaft) zwischen dem Hilfebedürftigen und einem Verwandten bzw Verschwägerten vorliegt, mit dem dieser in einer Wohnung zusammen lebt.
Das LSG hat insoweit keine eindeutige Feststellung getroffen.
Zu Recht ist es allerdings davon ausgegangen, dass die Nichterweislichkeit des Vorliegens einer Haushaltsgemeinschaft hier zu Lasten der Beklagten geht.
Der Beklagten ist zwar einzuräumen, dass der Rechtsprechung des BVerwG zu § 16 BSHG eine gewisse Tendenz zu entnehmen ist, dass die Beweislast für das Nichtvorliegen einer Haushaltsgemeinschaft den jeweiligen Sozialhilfeempfänger traf (vgl BVerwGE 23, 255 ff).
Allerdings ist diese - zum mittlerweile aufgehobenen BSHG - ergangene Rechtsprechung nicht auf § 9 Abs 5 SGB II übertragbar.
Insbesondere kann diese Rechtsprechung nicht der Aufspaltung des früheren § 16 BSHG in § 36 SGB XII einerseits und § 9 Abs 5 SGB II andererseits ausreichend Rechnung tragen.
Es mag zutreffend sein, dass die unterschiedlichen Vermutungsregelungen in § 9 Abs 5 SGB II und § 36 SGB XII nicht sinnvoll sind (so explizit Conradis in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 36 RdNr 2). De lege lata ist jedoch vom Grundsicherungsträger hinzunehmen, dass § 9 Abs 5 SGB II anders als § 36 SGB XII keine ausdrückliche Vermutungsregelung für das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft bei bloßem Zusammenwohnen enthält.