Zehntausende Leiharbeiter können rückwirkend höhere Löhne verlangen (Az: 1 ABR 19/10) Aktenzeichen: 29 BV 13947/10
Zehntausende Leiharbeiter können auch rückwirkend höheren Lohn verlangen. Das geht aus den am Montag veröffentlichten schriftlichen Entscheidungsgründen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt zur Tariffähigkeit der "Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP)" hervor. Umgekehrt müssen danach Leiharbeitsfirmen, die den CGZP-Tarif angewandt haben, mit Nachforderungen auch der gesetzlichen Sozialversicherungsträger in Milliardenhöhe rechnen.
Arbeitsgericht Berlin: Tarifunfähigkeit der CGZP auch für die Vergangenheit festgestellt
Arbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 30.05.2011, 29 BV 13947/10
31.05.2011. Leiharbeiter müssen wie vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihers bezahlt werden, wenn dies in einem Tarifvertrag nicht anders geregelt ist (§ 9 Nr.2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG). Speziell die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) fiel durch arbeitgeberfreundliche „Tarifverträge“ mit niedrigen Löhnen auf. Sie wurde dabei aus verschiedenen Gründen verdächtigt, keine wirksamen Tarifverträge abschließen zu können.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigte das und entschied kürzlich, dass diese Organisation nicht tariffähig ist, weil ihre Mitgliedsgewerkschaften der CGZP mehr Zuständigkeiten verleihen wollten, als sie selbst hatten (Beschluss vom 14.12.2010, 1 ABR 19/10). Inwieweit das nicht nur für die Gegenwart, sondern auch für die Vergangenheit gilt, blieb allerdings offen. Diese Lücke hat das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin nun gefüllt (Beschluss vom 30.05.2011, 29 BV 13947/10).
In dem Fall des ArbG Berlin war fraglich, ob die CGZP am 29.11.2004, am 19.06.2006 und am 09.07.2008 Tarifverträge abschließen konnte. Das Gericht stellte jetzt fest, dass die Organisation (schon) damals nicht tariffähig war. Ihre „Tarifverträge“ sind deshalb nichtig, also rechtlich bedeutungslos (vgl. BAG, Urteil vom 05.11.2006, 10 AZR 665/05). Laut der bisher allein vorliegenden gerichtlichen Pressemitteilung hat sich das ArbG dabei der Begründung des BAG angeschlossen.
Fazit: Eine Beschwerde gegen die Entscheidung zum Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg ist möglich. Sie hat aber keine Aussicht auf Erfolg. Denn das BAG hat die fehlende Tariffähigkeit der CGZP mit einem grundlegenden Zuständigkeitsproblem begründet, das schon seit ihrer Gründung besteht. Leiharbeiter mit arbeitsvertraglichen Verweisen auf CGZP-"Tarifverträge" können daher rückwirkend den gleichen Lohn wie vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihers einfordern.
Nähere Informationen finden Sie hier:
Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen (CGZP) war auch in der Vergangenheit nicht tariffähig
Pressemitteilung Nr. 20/11 vom 30.05.2011
Die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen (CGZP) war auch in der Vergangenheit nicht tariffähig. Dies hat das Arbeitsgericht Berlin am heutigen Tag entschieden.
Das Bundesarbeitsgericht hatte durch Beschluss vom 14. Dezember 2010 – 1 ABR 19/10 – (vgl. Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 93/10) festgestellt, dass die CGZP im Zeitpunkt der Entscheidung nicht tariffähig war. Die CGZP sei keine Spitzenorganisation nach § 2 Abs. 3 TVG, weil sich ihre Mitgliedsgewerkschaften nicht im Umfang ihrer Tariffähigkeit zusammengeschlossen haben. Außerdem gehe der in der Satzung der CGZP festgelegte Organisationsbereich für die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung über den ihrer Mitgliedsgewerkschaften hinaus.
Das Arbeitsgericht Berlin hat nun festgestellt, dass die CGZP auch in der Vergangenheit, nämlich am 29.11.2004, am 19.06.2006 und am 09.07.2008 nicht tariffähig war und keine Tarifverträge abschließen konnte. Es hat sich dabei der Begründung des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts angeschlossen. Leiharbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse auf der Grundlage zu den genannten Zeitpunkten abgeschlossener „Tarifverträge“ abgewickelt wurden, können möglicherweise im Nachhinein eine Gleichstellung mit vergleichbaren Arbeitnehmern der Entleiher verlangen. Dies kann zu erheblichen Nachforderungen führen.
Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist nicht rechtskräftig. Er kann mit der Beschwerde vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg angefochten werden.
Arbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 30. Mai 2011, Aktenzeichen 29 BV 13947/10