Stellungnahme des AWO Bundesverbandes zum Gesetzentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt
Seite 5 von 7 mitteln sind für diese Menschen kein adäquates Mittel zur Integration in Ausbildung und Arbeitsleben. 3. Berufseinstiegsbegleitung (§ 49 SGB III) Das Modellprojekt Berufseinstiegsbegleitung wird mit dem Entwurf unbefristet in das SGB III aufgenommen. Neu ist die Regelung, dass zukünftig 50% der Förderung von Dritten kofinanziert werden muss. Der AWO Bundesverband begrüßt die Entfristung des Programmes sowie die Möglichkeit, die Begleitung über das erste Halbjahr der Ausbildung anzubieten. Die Kofinanzierungsverpflichtung ist nur sinnvoll, wenn auch die Länder Ihre Verantwortung wahrnehmen und sich an der Finanzierung beteiligen. Hierzu ist eine Zustimmung des Bundesrats notwendig. Anstelle der öffentlichen Ausschreibung der Maßnahmen sollten zukünftig auch alternative Vergabeverfahren, wie die beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb möglich sein können. In der Vergangenheit gab es Qualitätsprobleme bei der Umsetzung des Instruments, da in der Praxis häufig der Preis der Maßnahmen höher wog und die Mitarbeitenden nicht aufgabenadäquat vergütet worden waren. 4. Berufsorientierung (§ 48) und Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (§ 51ff SGB III) Der Entwurf sieht vor, dass die besonderen Bedürfnisse von Schüler/-innen mit sonderpädagogischen Förderbedarf und von schwerbehinderten Schüler/-innen berücksichtigt werden sollen. Dies wird von Seiten des AWO Bundesverbands sehr begrüßt. Es ist jedoch auch sicherzustellen, dass die Schüler/-innen dies auch nutzen können und somit ist auch unter Zustimmungsbeteiligung der Länder auf einen Rechtsanspruch hinzuwirken. Kritisch merken wir an, dass nur eine Förderdauer von einem Monat vorgesehen ist. Die Praxiserprobungen in den Bundesländern (Baden Württemberg, Bayern) zeigen jedoch bereits heute, dass nur eine längere, dem individuellen Bedarf angepasste Praktikumszeit zum Erfolg führt. Die Regelung der betrieblichen Einstiegsqualifizierung soll nach dem Gesetzentwurf bis Auslaufen des Ausbildungspaktes 2014 verlängert werden. Dies ist zu begrüßen. Es sollte jedoch darauf hingewirkt werden, dass die Einstiegsqualifizierung dauerhaft in das Gesetz aufgenommen wird, da sie gerade wegen ihrer Betriebsnähe und den sich daraus ergebenden „Klebeeffekten“ hohe Erfolgsquoten aufweist. Es außerdem sichergestellt werden, dass den Jugendlichen die Zeit der Einstiegsqualifizierung auf eine Berufsausbildung auch in der Praxis anerkannt wird. Die Möglichkeit sich innerhalb einer Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme auf den Hauptschulabschluss vorzubereiten sollte nicht auf die Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen begrenzt bleiben. Gerade Jugendliche, die die Regelschule nicht erfolgreich abschließen konnten, müssen durch alternative Konzepte, die die Jugendlichen über eine höhere Praxisnähe (z.B. im Rahmen einer Produktionsschule) motivieren und eine verstärkte sozialpädagogische Betreuung ermöglichen, gefördert werden. Es ist bedauerlich, dass in dem Gesetzentwurf mit Mai 2011 eine zeitliche Begrenzung der Praktikaphasen wieder eingeführt wurde. Nunmehr darf der Anteil betrieblicher Praktikaphasen die Hälfte der Maßnahmedauer nicht überschreiten. Seite 6 von 7 Darüber hinaus sollten Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen, für die bislang alleine die Arbeitsagentur nach dem SGB III zuständig ist, auch in die Eingliederungsleistungen nach § 16 SGB II aufgenommen werden um so in Zukunft Schnittstellenprobleme und zusätzliche Ansprechpartner für die Jugendlichen zu vermeiden. Dies ist zu begrüßen. Dabei ist auch die Jugendhilfe speziell mit Ihren Kompetenzen aus der Umsetzung des §13 SGB VIII mit zu beteiligen. Grundsätzlich ist bedauerlich, dass die Ergebnisse der Interministeriellen Arbeitsgruppe zum Übergangssystem nicht abgewartet werden sollen und somit nicht im Entwurf berücksichtigt sind. 5. Berufliche Weiterbildung (§§ 81ff. SGB III) Der Vierjahreszeitraum einer „beruflichen Entfremdung“, der notwendig ist für die Förderung Beruflicher Weiterbildung wird um weitere Tatbestände, wie Familienphase, Arbeitslosigkeit und Pflegezeiten erweitert. Die Förderung der Weiterbildung für ältere Beschäftigte wird in das Regelinstrumentarium übernommen. Grundsätzlich werden beide Vorhaben vom AWO Bundesverband begrüßt, wobei eine Verkürzung des Vierjahreszeitraumes sinnvoll wäre. Es ist zudem angesichts des demographischen Wandels und Fachkräftemangels wünschenswert, dass zukünftig verstärkt auch geringqualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stärker an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen beteiligt werden. Darüber hinaus ist es dringend notwendig, die im Rahmen des Konjunkturpakets II mit § 421t Abs. 6 SGB III eröffnete Möglichkeit zur vollständigen Finanzierung der dreijährigen Ausbildung bzw. Umschulung zum Altenpfleger/in bzw. Krankenpfleger/- in das Gesetz aufzunehmen. So liegt die Sicherstellung der Finanzierung in der Verantwortung der Bundesländer. Professionelle Pflege benötigt dringend gut qualifizierte Fachkräfte, daher ist eine bundeseinheitliche Regelung unabdingbar. Gleiches gilt für weitere vollzeitschulische Berufe, so besteht ebenfalls ein Fachkräftemangel im Erzieherberuf, auch hier muss es tragfähige Finanzierungskonzepte geben. Darüber hinaus ist es für Jugendliche mit Migrationshintergrund aus finanziellen Gründen häufig schwierig einen Zugang zu vollzeitschulischen Berufen zu erlangen. Um den Anforderungen der Einwanderungsgesellschaft mit mehrsprachigen Expert/- innen gerecht zu werden, sind hier dringend Lösungen gefragt. Abschließende Bemerkungen Obwohl im Anliegen und Zielrichtung zu begrüßen, stellt der AWO Bundesverband im vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt erhebliche Mängel fest, die einer dringenden Revision bedürfen. Dem Anliegen der erhöhten Dezentralität wird beispielsweise durch Pauschalierungsbestimmungen im Bereich der Öffentlich geförderten Beschäftigung nicht entsprochen. Um Dezentralität wirklich umsetzen zu können, bedarf es eines Kulturwechsels in den örtlichen Jobcentern und Agenturen für Arbeit, die bisher noch nicht ausreichend auf die Ausübung ihres Ermessens vorbereitet sind. Es ist nachvollziehbar, dass Berater/-innen, die teilweise selbst befristet beschäftigt sind, insbesondere unter der Vorgabe Mittel einsparen zu müssen, bei der Ausübung ihres Ermessens zurückhaltender sind. Hier sind neben einer verbesserten Qualifizierung der Mitarbeitenden ermessensleitende Weisungen und Handreichungen notwendig, die von den örtlichen Jobcentern und Arbeitsagenturen vorgegeben werden sollten. Gelingt es nicht dies schlüssig umzusetzen besteht der Verdacht, dass die Umwandlung von Pflicht- in Ermessensleistungen rein fiskalisch begründet ist. Seite 7 von 7 Der AWO Bundesverband fordert das Ministerium für Arbeit und Soziales auf, die Belange der arbeitslosen Menschen aus dem Rechtskreis des SGB II stärker zu berücksichtigen. Diese Gruppe von Menschen, die auch zahlenmäßig die Personengruppe der Arbeitslosen aus dem Rechtskreis des SGB III übersteigt, benötigt Instrumente, die eine langfristige, individuelle unbürokratische und möglichst betriebsnahe Förderung mit entsprechender sozialpädagogischer Begleitung und Hilfe möglich machen. AWO Bundesverband Berlin, den 27. Juni 2011