Erhalten Arbeitslose Hartz-IV-Leistungen, darf das Jobcenter dies nicht einfach herum erzählen. Denn auch Arbeitslosengeld-II-Bezieher können sich auf den gesetzlich verankerten Sozialdatenschutz berufen, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) am Mittwoch, 25.01.2012, in Kassel (AZ: B 14 AS 65/11 R). Bei einer unzulässigen Preisgabe der Daten werde deren Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt, so der 14. Senat. Geklagt hatte ein Ehepaar, welches mit Kindern und Enkelkindern in einem Mietshaus in der Nähe von Freiburg lebte. Das Paar erhielt vom Jobcenter Breisgau-Hochschwarzwald aufstockende Hartz-IV-Leistungen. Als sie von ihrem Vermieter für ihr bewohntes Haus eine Eigenbedarfskündigung erhielten, suchten sie sich eine neue Bleibe in einem Nachbarort. Die dort fällige Kaution in Höhe von 1.700,00 € sollte das Jobcenter darlehensweise vorstrecken. Gleichzeitig beantragten sie für die neue Wohnung Schränke für die Kinder, da in der alten Wohnung Einbauschränke vorhanden waren, die sie nicht mitnehmen konnten.
Die Behörde wollte die fällige Kaution jedoch auch darlehensweise nicht übernehmen. Die Hartz-IV-Bezieher könnten ja das Geld für die noch ausstehende Kaution aus dem alten Mietvertrag verwenden. Die Arbeitslosengeld-II-Empfänger erhoben dagegen Widerspruch und führten an, dass ihr alter Vermieter die Kaution erst nach einer sechsmonatigen Prüffrist auszahlen müsse. Die Mietkaution für die neue Wohnung sei aber umgehend fällig.
Daraufhin schrieb das Jobcenter den alten Vermieter an und fragte nach, wann die Kaution ausbezahlt wird. Dieser erfuhr damit, dass die Kläger im Hartz-IV-Bezug stehen. Auch zur Frage, ob in der alten Wohnung tatsächlich Einbauschränke vorhanden waren, telefonierte ein Jobcenter-Mitarbeiter mehrmals mit dem Vermieter.
Die Arbeitslosengeld-II-Bezieher hielten dies für rechtswidrig. Die Behörde dürfe nicht einfach ohne ihre Zustimmung Dritten preisgeben, dass sie Hartz IV erhalten. Durch das Vorgehen des Jobcenters wisse jetzt jeder im Ort, dass sie Arbeitslosengeld II bekommen. Sie seien „Hohn und Spott“ der alten Vermieter ausgesetzt gewesen und hätten sich geschämt. Das Jobcenter hätte auch die Kläger nochmals fragen können, wann die Auszahlung der Kaution zu erwarten ist, so Stefan Schiffer, Anwalt der Hartz-IV-Bezieher.
Der 14. Senat des BSG gab den Hartz-IV-Beziehern recht. Das Jobcenter habe unbefugt „Sozialgeheimnisse offenbart“. Laut Gesetz hätten sie aber Anspruch darauf, dass die ihre Sozialdaten von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden.
Termintipp des BSG Nr. 1/12 - Umfang des Datenschutzes bei Bezug von Arbeitslosengeld II
Das BSG wird am 25.01.2012 über den Umfang des Datenschutzes bei Bezug von Arbeitslosengeld II zu entscheiden haben.
Das LSG Baden-Württemberg hatte mit Urteil vom 13.10.2010, - L 3 AS 1173/10 - entschieden , dass das Sozialgeheimnis nach § 35 Abs. 1 SGB I nicht verletzt wird, wenn die für die Leistungsbewilligung nach dem SGB II erforderlichen Daten nur bei Dritten erhoben werden können.
Das BSG - B 14 AS 65/11 R - wird nun folgende Frage beantworten müssen:
Darf der Grundsicherungsträger nach SGB 2 im Wege der Amtsermittlung ohne vorherige Zustimmung des Leistungsempfängers Daten bei Dritten (hier ua beim Ehemann der Vermieterin zwecks Rückzahlung einer Mietkaution) mit der Folge erheben, dass Sozialdaten - wie der Leistungsbezug - offenbart werden?
Sachverhalt: Die Kläger, ein 1957 und 1966 geborenes Ehepaar, das Arbeitslosengeld II bezieht, macht eine Verletzung datenschutzrechtlicher Regelungen durch das beklagte Jobcenter geltend.
Die Kläger bewohnten zusammen mit mehreren Kindern und weiteren Familienangehörigen bis Ende Februar 2008 ein 125 qm großes Haus im Landkreis Emmendingen. Das Mietverhältnis wurde von der Vermieterin, vertreten durch den Haus- und Grundbesitzerverein, gekündigt. Die Kläger hatten hierfür eine von ihnen selbst aufgebrachte Kaution in Höhe von 2.611,78 Euro hinterlegt. Im Dezember 2007 unterzeichneten sie einen Mietvertrag für ein Haus in B. im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. Das Mietverhältnis begann am 15.2.2008; der Vermieter forderte eine Mietkaution in Höhe von 1.700 Euro. Den Antrag der Kläger, die Mietkaution darlehensweise zu übernehmen, lehnte der Beklagte ab und verwies auf die Mietkaution für das bislang bewohnte Haus, die zur Begleichung der neuen Kaution eingesetzt werden könne. Die Kläger machten geltend, die hinterlegte Mietkaution für das bislang bewohnte Haus stehe voraussichtlich erst mit Ablauf der sechsmonatigen Prüfungsfrist der Vermieterin und daher weit nach Fälligkeit der Mietkaution für das neue Haus zur Verfügung. Mit Schreiben vom 12.2.2008 wandte sich der Beklagte daraufhin wegen der Auszahlung der Kaution an den Haus- und Grundbesitzerverein E. unter dem Betreff "Leistungen nach dem SGB II im Mietverhältnis …" mit Angabe der bisherigen Adresse und des Namens der Kläger und bat unter anderem um Mitteilung des Auszahlungstermins und der Höhe der Kaution. In der Folgezeit telefonierten Bedienstete des Beklagten mehrmals mit dem Haus- und Grundbesitzerverein E. und erkundigten sich nach dem Sachstand. Ende Februar 2008 beantragten die Kläger bei dem Beklagten außerdem je einen Schrank für ihre Kinder, weil diese über keine Schränke verfügten, da in dem bisherigen Haus Einbauschränke gewesen seien. Am 19.3.2008 telefonierte ein Bediensteter des Beklagten wegen dieser Angelegenheit mit dem Ehemann der Vermieterin.
Im Rahmen ihrer auf die Bewilligung der Mietkaution gerichteten Klage haben die Kläger u.a. die Verletzung ihres Sozialdatenschutzes durch das Schreiben des Beklagten vom 12.2.2008 geltend gemacht. Erst durch dieses Schreiben habe die Vermieterin von ihrem Leistungsbezug erfahren und sie - die Kläger - seien nunmehr dem Hohn und Spott der Familie der ehemaligen Vermieterin ausgesetzt. Das Sozialgericht hat den Antrag der Kläger, festzustellen, dass der Beklagte durch sein Verhalten unbefugt Sozialgeheimnisse offenbart habe, abgewiesen. Das Landessozialgericht hat die Berufung zurückgewiesen.
Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügen die Kläger eine Verletzung von § 35 Abs 1 SGB I und ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Der Beklagte habe nicht im Wege der Amtsermittlung ohne ihre vorherige Zustimmung Daten bei Dritten mit der Folge erheben dürfen, dass Sozialdaten, wie ihr Bezug von Leistungen nach dem SGB II offenbart würden. Eine Rechtsgrundlage für die vorgenommene Offenbarung ihrer Sozialdaten sei nicht ersichtlich.
Anmerkung: Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.04.2011, - L 2 AS 10/11 B ER -
Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I hat jeder Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden (Sozialgeheimnis).
Nach § 67a Abs. 1 Satz 1 SGB X ist das Erheben von Sozialdaten im Sinne des § 35 SGB I zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist. Soweit es notwendig ist, leistungsrechtlich erhebliche Angaben der Antragsteller durch Ermittlungen bei Dritten (nicht von § 67a Abs. 2 Nr.1 SGB X erfassten Stellen) nachzuprüfen, etwa bei trotz Nachfrage bei den Leistungsempfängern unaufklärbaren Lücken oder begründetem Anlass für Zweifel an den Angaben der Betroffenen, besteht insbesondere kein unverhältnismäßiger Aufwand bzw. ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen im Sinne des § 67a Abs. 2 Nr. 2 SGB X (vgl. VGH Bayern v. 20.08.2007 - 12 ZB 06.2658 – Juris).