LSG Rheinland-Pfalz, 16.08.2011 - L 5 KR 175/11 B ER
Anmerkungen: Nach § 14 SGB IX ist ein Rehabilitationsträger verpflichtet, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Akten über seine Zuständigkeit zu entscheiden. Hält er sich nicht für Zuständig, leitet er den Antrag unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiter oder muss unverzüglich über den REHA-Bedarf entscheiden (§ 14 Abs. 2 S.1 SGB IX). IN dem vom LSG Rh-Pfalz zu entscheidenden Fall hatte sich das Jugendamt für die Unterbringung eine Jugendlichen in einer Wohngemeinschaft mit therapeutischer Begleitung für unzuständig erklärt und den REHA-Antrag an die Krankasse einer Jugendlichen weitergeleitet. Die Krankenkasse stellte sich auf den Standpunkt, sie sei nicht zuständig, was wohl auch richtig war, da die Übernahme von Kosten einer Wohngemeinschaft nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehört. Die Antragstellerin (die Jugendliche) hatte gegen die Krankenkasse erfolgreich vor dem Sozialgericht die Übernahme der Kosten für die Unterbringung in der Wohngemeinschaft im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (§ 86b Abs. 2 S. 1 SGG) geltend gemacht. Die Beschwerde der Krankenkasse hiergegen vor dem LSG RPf war erfolglos, weil bereits das Bundessozialgericht (BSG, 26.06.2007 - B 1 KR 34/06 R) eine Zurückleitung der Unterlagen nach § 14 SGB IX an den verweisenden Leistungsträger für unzulässig erachtete.
Behinderte müssen mit Anträgen nicht von Pontius zu Pilatus laufen Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz in Mainz (AZ: L 5 KR 175/11 B ER)
Anträge auf Hilfen für behinderte Menschen dürfen sich die Sozialträger nicht auf Kosten der Betroffenen gegenseitig hin und her schieben. Eine Weiterleitung ist nur einmal zulässig, spätestens der zweite Träger muss entscheiden, heißt es in einem am Donnerstag, 01.09.2011, veröffentlichten Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz in Mainz (AZ: L 5 KR 175/11 B ER). Das gelte selbst dann, „wenn die erste Weiterleitung unberechtigt oder sogar rechtsmissbräuchlich erfolgte“. Um die Eingliederung behinderter Menschen in Arbeit und Gesellschaft zu unterstützen, gibt es unzählige Hilfen – vom Umbau des Autos über Hilfen am Arbeitsplatz bis zur persönlichen Assistenz beim Einkaufen. Zuständig sind die Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung, die Sozialhilfe und die Integrationsämter. Welche Behörde nun gerade was bezahlt, ist oft umstritten und von den Betroffenen kaum zu überschauen.
Die Klägerin hatte beim Landkreis ihre Unterbringung in einer Einrichtung für junge Menschen mit Essstörungen beantragt. Der Sozialhilfeträger mutmaßte, es könne ein Fall medizinischer Rehabilitation vorliegen und reichte den Antrag daher an die Krankenkasse weiter. Die war nicht ganz zu unrecht sauer; denn in der Wohngruppe, die die Ärzte der Jugendlichen empfohlen hatten, wurde medizinische Rehabilitation gar nicht angeboten.
Wie nun das LSG betonte, muss die Krankenkasse trotzdem die Unterbringung in dem Wohnheim übernehmen. „Zur Vermeidung von Zuständigkeitsstreitigkeiten auf dem Rücken der Betroffenen“ greife das gesetzliche Verbot mehrfacher Weiterleitung sogar in solchen gegebenenfalls missbräuchlichen Fällen. Daher habe in der Vorinstanz das Sozialgericht Koblenz eine entsprechende Anordnung gegen die Krankenkasse treffen dürfen. Ob die Krankenkasse sich das Geld dann vom Sozialhilfeträger zurückholen kann, hatte das LSG in seinem Beschluss vom 16.08.2011 nicht zu entscheiden.
Ähnlich hatte am 11.05.2011 auch das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zu einem Antrag auf ein „persönliches Budget“ für behinderte Menschen entschieden (AZ: B 5 R 54/10 R). Der Vorwurf des Missbrauchs stand in dem Kasseler Fall allerdings nicht im Raum.