Jobcenter ist zur Übernahme doppelter Mietaufwendungen für eine behindertengerechten Wohnung im Zuge eines vom ihm veranlassten Umzugs verpflichtet.
Sozialgericht Dortmund ,Urteil vom 24.04.2012,- S 29 AS 17/09 -
Auf welche Vorschriften des SGB II sich ein Anspruch für die Erstattung von umzugsbedingten Doppelmieten stützt, ist in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt.
Die Mehrzahl der Landessozialgerichte (Bayrisches LSG – L 16 B 665/08 und L 7 AS 99/06; LSG Sachsen-Anhalt – L 5 AS 331/11 ER - tendieren dazu, § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II a. F. jetzt § 22 Abs. 6 SGB II als maßgebliche Anspruchsgrundlage zu sehen; die durch einen Umzug übergangsweise entstandenen doppelten Mietbelastungen werden den Wohnungsbeschaffungskosten zugeordnet.
Doppelte Mietaufwendungen sind Wohnungsbeschaffungskosten im Sinne von § 22 Abs. 6 SGB II.
SG Dortmund, Urt. Vom 24.04.2012 - S 29 AS 17/09 (rechtskräftig)
Aus den Gründen: Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin ist durch die Entscheidung des Beklagten im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn sie hat Anspruch auf die Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung für die im Dezember 2008 noch angemietete bisherige Wohnung und die ab Dezember 2008 angemietete neue Wohnung.
Auf welche Vorschriften das SGB II sich ein Anspruch für die Erstattung von umzugsbedingten Doppelmieten stützt, ist in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt.
Die Mehrzahl der Landessozialgerichte (Bayrisches LSG - L 16 B 665/08 und L 7 AS 99/06; LSG Sachsen-Anhalt - L 5 AS 33 1/1 1 ER, sämtlich abrufbar über Sozialgerichtsbarkeit.de - Entscheidungen) tendieren dazu, § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II als maßgebliche Anspruchsgrundlage zu sehen; die durch einen Umzug übergangsweise entstandenen doppelten Mietbelastungen werden den Wohnungsbeschaffungskosten zugeordnet.
Dem schließt sich die Kammer an, denn wollte man derartige Kosten den Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II zuordnen, müssten grundsätzlich die Kosten mehrerer, gleichzeitig inne gehabter Wohnungen für angemessen erachtet werden. Dies kann jedoch nicht richtig sein, weil grundsätzlich nur die Kosten der Wohnung zu berücksichtigen sind, die der Leistungsempfänger tatsächlich bewohnt oder wo er eine Wohnung unter Umständen inne hat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (§ 30 Abs. 3 SGB I).
Angemessen im Falle eines Umzuges können bis zu dessen Zeitpunkt daher nur die Kosten der Wohnung sein, die aktuell noch bewohnt wird. Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten, denen die Kammer die Kosten einer Doppelmiete zuordnet, können nach § 22 Abs. 3 SGB II jedoch nur bei vorheriger Zusicherung durch den örtlich zuständigen Kommunalen Träger übernommen werden.
Die Zusicherung zum Umzug hat der Beklagte im vorliegenden Fall am 6.10.2008 erteilt.
Dementsprechend hatte er nach Maßgabe des ihm in § 22 Abs. 3 SGB II eingeräumten Ermessens Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten zu übernehmen.
Die Übernahme der Kosten steht zwar nach dem Wortlaut der Vorschrift im Ermessen des Beklagten, das sich aber im Falle eines von ihm veranlassten Umzuges auf die Höhe der Kosten reduziert.
Im vorliegenden Einzelfall geht das Gericht davon aus, dass das Ermessen des Beklagten nur dahingehend ausgeübt werden konnte, die der Klägerin für den Monat Dezember 2008 entstandene Doppelmiete zu übernehmen.
Zum einen hat nämlich die Klägerin glaubhaft und aufgrund ständiger Recherchen der Kammer im Internet nachvollziehbar dargelegt, dass Wohnungen, die den finanziellen Vorgaben des Beklagten für Ein-Personen-Haushalte entsprechen und auch behindertengerecht sind (Vermeidung von Treppen) selbst bei dem in Dortmund ansonsten als entspannt anzusehenden Wohnungsmarkt schwer zu finden sind, und zum anderen hat das Gericht berücksichtigt, dass der Beklagte selbst bei der Auswahl der Umzugsunternehmen, für die die Klägerin Kostenvoranschläge eingereicht hatte, das Unternehmen F. unter Zusage einer Kostenübernahme vom 24.11.2008 ausgewählt hatte, das sein Angebot erst für ein Auftragsdatum am 8.12.2008 erstellt hatte.
Der Klägerin kann vor diesem Hintergrund auch unter Berücksichtigung des dem Beklagten zustehenden Ermessens nicht vorgeworfen werden, grundlos höhere Kosten des Umzuges und der Wohnungsbeschaffung verursacht zu haben.
Genauso wenig kann ihr vorgehalten werden, sie habe bei der Wohnungssuche bereits hinreichend auf die Vermeidung einer Doppelmiete hinwirken können.
Zwar ist dem Gericht hinsichtlich der Wohnungssituation im Bereich der Stadt Dortmund bekannt, dass auch kleine Wohnungen für Ein- Personen-Haushalte unter Beachtung der Kostenvorgaben des Beklagten ohne Weiteres anzumieten sind und der Wohnungsmarkt insoweit entspannt ist.
Anders gestaltet sich dies nach den regelmäßigen Recherchen der Kammer im Internet jedoch bei behindertengerechten Wohnungen. Kleine Wohnungen im Parterre oder über einen Aufzug erreichbar stehen kaum zu den finanziellen Vorgaben des Beklagten zur Verfügung.
Die Entscheidung der Klägerin, die ihren Bedürfnissen entsprechende verfügbare Wohnung bereits zum 1.12.2008 anzumieten, ist nach alledem nachvollziehbar.
Das dem Beklagten nach § 22 Abs. 3 [SGB II] hinsichtlich der zu übernehmenden Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten zustehende Ermessen ist nach alledem nach Auffassung des Gerichts dahingehend reduziert, dass die der Klägerin tatsächlich entstandenen Kosten zu übernehmen sind.
Insoweit muss sich der Beklagte insbesondere an der Aufforderung gegenüber der Klägerin, das Umzugsunternehmen F. zu beauftragen, festhalten lassen, wo aus dem Kostenvoranschlag bereits hervorging, dass ein Umzug erst im Dezember 2008 stattfinden würde, die weitere Nutzung der alten Wohnung also zwangsläufig war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Zulassung der Berufung hat das Gericht für nicht erforderlich angesehen, denn das vorliegende Urteil weicht nicht von einer Entscheidung eines Obergerichtes ab und hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 144 SGG). Geregelt worden ist lediglich ein Einzelfall unter Berücksichtigung der besonderen Situation der Klägerin und der vom Beklagten vorab gemachten Vorgaben bezüglich des Umzuges.