In Leipzig war das Jobcenter gerichtlich verurteilt worden, einem ALGII-Empfänger eine einbehaltene Sanktion auszuzahlen. Das JC ignorierte das Gesetz und verwei-gerte dem ALGII-Empfänger sein Geld. Der beauftragte daraufhin einen Gerichtsvoll¬zieher.
Als auf die telefonische Mahnung des Gerichtsvollziehers das JC eigen¬mächtig nur eine Teilzahlung leistete, zog der Gerichtsvollzieher andere Saiten auf: er marschierte in einem unangemeldeten Besuch in die städtische Behörde und pfändete vor Ort aus der Barkasse wie bei einem gewöhnlichen Privatschuldner.
Die Vorgeschichte des dramatischen Vorfalls ist alltäglich und gewöhnlich im Regime des Sozialgesetzbuches Zwei: das Leipziger Jobcenter hatte den 44-jährigen Familienvater einer Arbeitsgelegenheit bei den Kommunalen Eigenbetrieben Engelsdorf zugewiesen, die für die Stadt Leipzig Arbeitskräfte (Ein-Euro-Jobs) zur Verfügung stellt.
Trotz Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Ein-Euro-Jobs war er dort erschienen, hatte aber keinen Lebenslauf vorgelegt. Der Leiter der Einrichtung schickte den ALGII-Empfänger wieder nach Hause. Das Jobcenter unterstellte ihm, dass er die Maßnahme nicht antreten wolle und verhängte eine Sanktion i.H. Von 30 Prozent des ALGII-Regelbedarfs, der damit für drei Monate auf 235,90 reduziert war.
Der ALGII-Empfänger legte sofort Widerspruch ein und ersuchte vor dem Sozialgericht Leipzig um Rechtsschutz. Das Gericht gab dem Antrag vollumfänglich statt, widersprach auch der Rechtsauffassung des Jobcenters, nach der ein Anbieter von Ein-Euro-Jobs Anspruch auf die Lebensläufe der Ein-Euro-Jobber habe und verpflichtete das Jobcenter, die bereits einbehaltenen zwei Monatsraten der Sanktion in Höhe von jeweils 101,10 unverzüglich an den ALGII-Empfänger auszuzahlen.
Da ein solches Urteil unmittelbar vollstreckbar ist, ging der ALGII-Empfänger mit dem Beschluss unverzüglich in das Jobcenter und verlangte die Auszahlung des Geldes, was die Behörde ihm allerdings verweigerte.
Der ALGII-Empfänger suchte daraufhin Rat bei einem Rechtsanwalt, der kurz entschlossen den Gerichtsvollzieher beauftragte, denn: nach einmonatiger Frist wäre der Gerichtsbeschluss nicht mehr vollstreckbar gewesen und dann hätte das Jobcenter gar nicht mehr bezahlen müssen.
Der Leipziger Gerichtsvollzieher hatte die Behörde noch schonen wollen, indem er ihr das peinliche Auftreten vor Ort ersparen wollte und sie daher telefonisch angemahnt. Erst als die sture Behörde auch dies ignorierte, indem sie einfach nur einen Teil der Forderung überwies, griff er zu dem rabiaten Mittel der Zwangspfändung in den Räumen der Behörde.
Hier dann das Urteil zum Thema: SG Leipzig ,Beschluss vom 29.05.2012,- S 25 AS 1470/12 ER -
Ein außerhalb des Sozialrechtsverhältnis stehender Dritter, wie hier der Maßnahmeträger, kann nur mit Zustimmung des Leistungsberechtigten Daten erheben und verwerten(§ 4a des Bundesdatenschutzgesetz).
Eine nichterteilte Zustimmung kann im Umkehrschluss nicht dazu führen, den Leistungsempfänger in der Sache dafür zu sanktionieren (so im Ergebnis auch Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 15.02.20 12 - S 107 AS 1034/12 ER - Rdnr. 8). Quelle: http://www.tacheles-sozialhilfe.de/forum...p?FacId=1811013
Zusatz/Nachtrag zu: SG Leipzig, 25. Kammer, Beschl. v. 29.05.2012 - S 25 AS 1470/12 ER - Gerichtsvollzieher pfändet zahlungsunwilliges Jobcenter Tacheles Forum: Gerichtsvollzieher pfändet zahlungsunwilliges Jobcenter http://www.tacheles-sozialhilfe.de/forum...p?FacId=1811013 Aus dem Beschluss, abgesehen von der Zwangsvollstreckung/Pfändung:
Ab S. 7, zweiter Abschnitt, wird ausgeführt, dass die Datenweitergabe an Maßnahmeträger, abgesehen von den Kontaktdaten, freiwillig ist.
Im Vordergrund steht hier immer der § 4a des Bundesdatenschutzgesetzes http://www.buzer.de/gesetz/3669/a51563.htm (Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht.).
Zusätzlich sollte das mehr motivieren, der Datenweitergabe in den Zuweisungen zu widersprechen und Auskunft über den Umfang zu verlangen. Die JC sollen ans Arbeiten kommen!
Die Richterin macht sich in diesem Beschluss auch Gedanken über die Auswirkungen der Santionen (S. 8, vierter Absatz).
Das ist schon bemerkenswert.
Passend hierzu:
SG Leipzig, Beschl. v. 29.05.2012 - S 25 AS 1470/12 ER (sozialrechtsexperte: SG Leipzig stärkt Datenschutz für SGB II- Empfänger- Hartz IV - Empfänger müssen beim Maßnahmeträger - keinen - Lebenslauf vorlegen) http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2...tz-fur-sgb.html und:
SG Berlin, Beschl. v. 15.02.2012 - S 107 AS 1034/12 ER https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esg...=esgb&id=151690 Gemäß § 4a des Bundesdatenschutzgesetzes obliegt es der freien Entscheidung eines Hilfebedürftigen seine Zustimmung zur Datenerfassung und Speicherung personengebundener Daten in einem Personalfragebogen zu erteilen. Die Verweigerung kann im Umkehrschluss nicht dazu führen, den Hilfebedürftigen in der Sache dafür mit einer Sanktion nach dem SGB 2 zu belegen.
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BfDI - INFO 3 Sozialdatenschutz 1. Auflage Januar 2012 http://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Publi....html?nn=409164 Diese Informationsbroschüre will dazu beitragen, die Datenschutzbestimmungen des Sozialrechts transparent zu machen, und Sozialversicherte über ihre Rechte informieren. Die Info 3 richtet sich an Bürgerinnen und Bürger, aber auch an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Sozialversicherungsträgern.
(Das Heft kann man sich auch kostenlos zuschicken lassen.)