Kindesunterhalt vom Jobcenter bezahlen lassen! Jobcenter ist verpflichtet nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel festgelegten Betrag vom Einkommen abzuziehen.
Kindesunterhalt vom Jobcenter bezahlen lassen
Angesichts der Unsitte über Leiarbeit Niedriglöhner zu beschäftigen, dürfte für viele Väter oder auch Mütter die Bedienung der Unterhaltspflichten ein Problem werden.
Eine Abänderung des titulierten Unterhalts ist in der Regel schwierig, weil die Familiengerichte auf die Erwersobliegenheit des Unterhaltsschuldners verweisen und darauf hinweisen, dass der Unterhaltsschuldner doch zwei Jobs annehmen möge und Überstunden machen solle.
Was viele nicht wissen ist, dass das Jobcenter verpflichtet ist nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel festgelegten Betrag vom Einkommen abzuziehen.
Es empfiehlt sich daher, den Mindestunterhalt für seine Kinder titulieren zu lassen und ALG II zu beantragen. Das freut die Kinder, weil sie ihren Unterhalt bekommen und dem Unterhaltsschuldner, weil er mehr in der Geldbörse haben dürfte.
Titulierte Unterhaltszahlungen sind bei Hartz IV vom Einkommen abzusetzen!
Veröffentlicht: 30. März 2012 | Autor: Helge Hildebrandt | Einsortiert unter: Einkommensanrechnung | Tags: § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II, Einkommensanrechnung bei Unterhaltsverpflichtungen, Einkommensanrechnung Hartz IV Grundsicherung, Hartz IV + Unterhalt, Hartz IV und Unterhalt, Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Beschluss vom 23.03.2012 L 6 AS 32/12 B ER | 1 Kommentar » Gemäß § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II sind “Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag” vom Einkommen abzusetzen. In seinem Grundsatzurteil vom 09.11.2010 (B 4 AS 78/10 R) hat das Bundessozialgericht entschieden (ab Rz. 15):
Der Unterhalt muss im streitigen Zeitraum tatsächlich geleistet worden sein (BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 57/07 R). Auch Jugendamtsurkunden sind Unterhaltstitel im Sinne von § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II a.F.) Die Unterhaltszahlungen müssen zur Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung erfolgen.
Die Absetzbarkeit der Unterhaltsbeträge nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB II hängt nicht von deren tatsächlicher Pfändbarkeit ab.
Der Unterhaltsschuldner muss nicht auf eine Abänderung des Unterhaltstitels hinwirken.
Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts
Mit Beschluss vom 23.03.2012 hat das Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht eine Beschwerde des Jobcenters Plön gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Kiel zurückgewiesen und bestätigt, dass Unterhaltszahlungen in Höhe des in einem Unterhaltstitel festgelegten Betrages vom Einkommen eines Hartz IV-Empfängers abzusetzen sind.
Im konkreten Fall hatte der leistungsberechtigte Vater aufgrund einer Jugendamtsurkunde monatlich 245 € Kindesunterhalt zu zahlen. Dieser Unterhaltsverpflichtung wollte der Vater mit dem Einkommen aus einem 400 € – Job nachkommen. Das Jobcenter Plön rechnete von den 400 € allerdings 240 € auf den ALG II-Anspruch des Vaters an und beließ diesem nur 160 € anrechnungsfrei. Damit konnte der Vater den Unterhalt nicht mehr zahlen.
Das Jobcenter Plön hatte argumentiert, der Vater sei in seiner derzeitigen Einkommenssituation tatsächlich gar nicht in der Lage, den Unterhalt zu zahlen – und könne deswegen auch aus dem Unterhaltstitel nicht erfolgreich in Anspruch genommen werden. Das Jobcenter rechnete deswegen 240 € auf den ALG II Anspruch an. Rechtswidrig, entschied zunächst das Sozialgericht Kiel und dann auch das Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht: Nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II genügt die Titulierung eines Unterhaltsanspruches. Ob die titulierten Unterhaltsansprüche im konkreten Fall erfolgreich gepfändet werden könnten oder ohne die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II realisierbar wären, ist für die Berücksichtigung als Absatzbeträge „irrelevant“.
Berechnung des anrechenbaren Einkommens
Hinsichtlich der Einkommensanrechnung war sowohl der Verfasser dieses Beitrages als auch das Sozialgericht Kiel davon ausgegangen, dass von dem monatlichen Nebeneinkommen in Höhe von 400 € zunächst der Unterhalt abzusetzen ist und erst dann die Freibetragsberechnung durchzuführen sei. Danach wären 44 € als Einkommen anzurechnen gewesen.
Das Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht hat nun klargestellt, dass die Freibeträge nach § 11b Abs. 2 und Abs. 3 SGB II anhand des Bruttoeinkommens zu berechnen sind, so dass sich bei einem Einkommen von 400 € Freibeträge in Höhe von 100 € (vgl. § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II) und 60 € (vgl. § 11b Abs. 3 SGB II), insgesamt also 160 € ergeben und ein zu berücksichtigendes Einkommen von 240 € verbleibt. Von dem zu berücksichtigenden Einkommen von 240 € ist der titulierte Unterhaltsanspruch von 245 € abzusetzen, so dass das Nebeneinkommen in voller Höhe anrechnungsfrei bleibt.
Der Beschluss findet sich zum Download hier:
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23.03.2012, L 6 AS 32/12 B ER