Rechtsanwältin Stella Schicke über die Probleme der Justiz mit den Unterkunftskosten von Hartz-IV-Beziehern
Hartz-IV-Bezieher erhalten neben ihrem Regelsatz auch Geld für Miete und Heizung. Die schwammigen Regelungen zu diesen Kosten der Unterkunft (KdU) beschäftigen deutsche Sozialgerichte immer wieder. nd-Redakteur FABIAN LAMBECK sprach mit der Frankfurter Rechtsanwältin STELLA SCHICKE über ein möglicherweise wegweisendes Urteil des Sozialgerichtes Mainz und dessen Konsequenzen.
nd: Das Mainzer Sozialgericht hat vor kurzem in einem Urteil festgestellt, dass der entsprechende Absatz des Sozialgesetzbuches zu den KdU nicht mit dem »Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums« vereinbar sei. Sind die Regelungen verfassungswidrig?
Schicke: Das Gericht in Mainz hält die derzeitigen Regelungen für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar und orientiert sich dabei an dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Februar 2010 - das so genannte Hartz-IV-Urteil. Über die Verfassungsmäßigkeit hat das Bundesverfassungsgericht zu befinden.
Also wird sich Karlsruhe demnächst auch mit den Kosten der Unterkunft befassen?
Das Gericht in Mainz verwarf den in Paragraf 22 des Sozialgesetzbuches verwendeten Begriff »angemessene Miete« als zu pauschal. Kommt diese Erkenntnis nach sieben Jahren Hartz IV nicht etwas spät ?
Also ist die Schwammigkeit des Begriffs eher im Sinne der Betroffenen, weil die Verwaltung auch zu ihren Gunsten entscheiden kann?
Angemessenheitsregelungen der Unterkunftskosten im SGB 2 und SGB XII sind verfassungswidrig.
Der Angemessenheitsbegriff zu den Kosten der Unterkunft (KdU) nach § 22 Absatz 1 S 1 SGB II und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum schlüssigen Konzept sind nicht mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 Absatz 1 Grundgesetzes vereinbar,wie es im Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 (NZS 2010, 270) näher bestimmt worden ist.