Wieder ein Prozess und wieder geht es um das Jobcenter Köln-Kalk. Das Neue daran: Diesmal hat das damals von einem Hausverbot betroffene KEA- http://www.die-keas.org/die-keas-e.v. Mitglied selbst Klage eingereicht. Solidarische Prozessbeobachter treffen sich am Donnerstag, den 20.09.2012, 09:00 Uhr am Verwaltungsgericht http://www.vg-koeln.nrw.de/ vor dem Eingang 'An der Burgmauer'. Der Prozess beginnt um 09:30 Uhr im Sitzungssaal 55, Erdgeschoss.
Das Hausverbot, dessen Rechtmäßigkeit das Verwaltungsgericht nachträglich prüfen soll, war Auslöser einer langen Auseinandersetzung der KEAs u.a. solidarischen Menschen mit dem Jobcenter Köln-Kalk. Beinahe monatlich kam es zu unangemeldeten Besuchen, bis das Jobcenter endlich ein Einsehen hatte, dass permanente Polizeieinsätze und Hausverbote unverhältnismäßige Mittel sind, auf das Verteilen des Überlebenshandbuchs http://www.die-keas.org/ueberlebenshandbuch der KEAs zu reagieren. Seit geraumer Zeit wird dies auf Weisung des Hauses geduldet. Möglicherweise liegt es ja auch am Wechsel des Standortleiters.
Auch die Verfahrenseinstellung beim Prozess am vergangenen Montag http://www.die-keas.org/node/539 vor dem Amtsgericht könnte als ein Indiz gelesen werden, dass ernsthafte Gründe für eine Bestrafung, gleich welcher Art, nur schwerlich zu finden sind. Auch hier ging es um eine Aktion im Jobcenter Köln-Kalk.
Perfide Täuschung
Am 15. September 2011 begleiteten sich zwei KEAs gegenseitig als Beistand zu einem Termin. Während der üblichen Wartezeit wagte es einer der beiden, Druckexemplare des Überlebenshandbuchs, mit wichtigen Tipps für Erwerbslose, an andere Wartende weiterzugeben. Daraufhin erhielten sie Hausverbot. Um sich – ganz im Sinne des Dienstweges – darüber zu beschweren, gingen beide zum Standortleiter und wurden höflich gebeten zu warten. Der (damalige) Standortleiter rief derweil die Polizei und gelangte über deren Mitwirkung an die Adressen der Betroffenen. Genau genommen wurden sie durch die Bitte, zu warten, an der Vollziehung des Hausverbots - das sie friedlich und ohne Störung des betrieblichen Ablaufs vor Ort hinterfragen wollten - gehindert. Eine solche Täuschung ist - mit Verlaub - einfach nur perfide.
Weniger beim Rentenversicherungstrger, häufiger dafür bei den ARGE oder anderen Grundsicherungsträgern muss die Behördenleitung ein Hausverbot aussprechen. Juristisch problematisch kann dann die Zuordnung dieses Hausverbotes zum Privatrecht oder zum öffentlichen Recht werden. Soweit das Hausverbot öffentlich-rechtlichen Charakter hat, ergibt sich als weitere Problematik, ob die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig ist oder dieser Streit aufgrund eines besonderen Gesetzes der Sozialgerichtsbarkeit zur Entscheidung zugewiesen ist. Ergeht das Hausverbot noch zu den Angelegenheiten der Grundsicherung im Sinn von 54 Abs. 1 Ziff.4a SGG? Das Urteil des VG gibt einen guten Überblick zu der bisher dazu ergangenen Rechtsprechung und setzt sich kritisch damit auseinander.
VG Neustadt, B. v. 23.02.2010 - 4 L 103/10.NW (http://dejure.org/dienste/vernetzung/rec...=4%20L%20103/10) Zitat: Nach Auffassung der Kammer kämen, sieht man Gewohnheitsrecht nicht als ausreichend an, als Rechtsgrundlage für das am 18. November 2009 ausgesprochene Hausverbot die §§ 858 ff., 903, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB in entsprechender Anwendung in Betracht, die den Abwehranspruch des Eigentümers bzw. Besitzers gegenüber Störungen durch Dritte regeln (s. auch Jutzi, LKRZ 2009, 16, 17). Bei den Diensträumen, in denen die ARGE ... untergebracht ist, handelt es sich um öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch, die der Verwaltung zur Aufgabenerfüllung unmittelbar durch den Gebrauch durch Amts- und Funktionsträger dienen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Grundstück, auf dem sich das Verwaltungsgebäude befindet, im Eigentum der öffentlichen Hand oder eines Privaten steht. Nach der Theorie des modifizierten Privateigentums wird das an öffentlichen Sachen bestehende privatrechtliche Eigentum durch ein öffentlich-rechtliches, gegen jedermann dinglich wirkendes Herrschaftsrecht, ähnlich einer Dienstbarkeit, überlagert, um den Verwaltungszwecken gerecht werden zu können (vgl. BVerwGE 116, 67). Wird die Nutzung eines Grundstücks zu öffentlich-rechtlichen Zwecken durch einen Dritten gestört, so stellen die im Öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren §§ 858 ff., 903, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Beseitigung der Beeinträchtigung dar. Dazu gehört auch der Erlass eines Hausverbots gegenüber dem Dritten.
Im Gegensatz zum zivilrechtlichen Hausrecht, das seinem Inhaber ermöglicht, grundsätzlich frei darüber zu entscheiden, wem er den Zutritt zu der Örtlichkeit gestattet und wem er ihn verwehrt (BGH, NJW 2010, 534), sind an das öffentlich-rechtliche Hausverbot wegen Art. 20 Abs. 3 GG allerdings strengere Anforderungen zu stellen (vgl. Mißling, NdsVBl 2008, 267, 269). Der Ausspruch eines Hausverbots hat präventiven Charakter, indem er darauf abzielt, zukünftige Störungen des Betriebsablaufs in der Behörde zu vermeiden. Das ausgesprochene Hausverbot hat daher grundsätzlich zunächst die Tatsachen zu benennen, die in vorangegangener Zeit den Hausfrieden gestört haben, weiter ist anzuführen, dass in Zukunft wieder mit Störungen zu rechnen und das Hausverbot daher erforderlich ist, um erneute Vorfälle zu verhindern. Allerdings muss eine Behörde auch mit aus ihrer Sicht schwierigen Besuchern zurechtkommen. Sie kann daher nicht sogleich auf ein Hausverbot zurückgreifen. Diese Möglichkeit ist ihr vielmehr erst dann eröffnet, wenn es durch das Verhalten des Adressaten zu einer beachtlichen, d.h. mehr als nur leichten und/oder vorübergehenden Beeinträchtigung der öffentlichen Tätigkeit innerhalb der Behörde gekommen ist (Mißling, NdsVBl 2008, 267, 270). Dies ist anzunehmen, wenn der Dienstablauf nachhaltig gestört wird, zum Beispiel weil Bedienstete beleidigt werden oder der Besucher in nicht hinnehmbarer Weise aggressiv reagiert und mit einer Wiederholung derartiger Vorfälle zu rechnen ist (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 7. März 2005 - 7 B 10104/05.OVG -). Es spricht vieles dafür, dass im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden muss.
Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit bei Streit über ein Hausverbot eines Sozialleistungsträgers gegenüber einem Leistungsempfänger.
Hammel beleuchtet das Recht des JobCenters, ein Hausverbot zu erteilen
Kurznachricht zu "Das Hausverbot im JobCenter" von Dr. Manfred Hammel, original erschienen in: ZfF 2011 Heft 10, 223 - 225.
Der Beitrag legt dar, was das JobCenter bei Verhängung eines Hausverbotes zu beachten hat. Zu Beginn weist der Verfasser darauf hin, dass beim Hausverbot nach dessen Charakter zu differenzieren sei: Eine privatrechtliche Verfügung liege vor, wenn sich das Hausverbot an Personen richte, die das JobCenter als Ort aufsuchen, etwa zum Trinken. Das Hausverbot sei aber öffentlich-rechtlich begründet, wenn es sich an eine Person richtet, die das JobCenter in seiner Funktion als Grundsicherungsträger aufsucht, etwa um sich nach dem Stand seines Verfahrens zu erkundigen. Danach bespricht der Autor Form und Verfahren bei Erlass eines Hausverbots. Da es sich um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 S. 1 SGB X handle, seien die diesbezüglichen Voraussetzungen zu beachten, insbesondere an die Bestimmtheit und Begründung des Verwaltungsakts.
Anschließend legt Hammel dar, wann ein Hausverbot sachlich gerechtfertigt ist. Es dürfe nur als ultima ratio ausgesprochen werden, wenn anderenfalls die unbeeinträchtigte Aufgabenerfüllung nicht gewährleistet sei. Allerdings müsse sich der Grundsicherungsträger besonders bemühen, sich anzeigende oder bestehende Konflikte zu lösen (LSG Sachsen, 12.11.2010, L 7 AS 593/10.B.ER). Sodann widmet sich der Verfasser der Dauer des Hausverbots. Hierbei sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie die besondere Lage der auf Hilfeleistungen angewiesenen Betroffenen zu berücksichtigen. Unverhältnismäßig sei daher ein zeitlich unbefristetes Hausverbot. Zum Schluss behandelt der Autor die Möglichkeiten des Betroffenen, während der Dauer des Hausverbots mit dem JobCenter Kontakt aufzunehmen. Quelle: http://www.kanzleihomepage.de/mandanteni.../show/id/230753