Entfällt die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses oder erst mit dem Zufluss des Arbeitsentgeltes?
Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (Nummer 1) oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen (Nummer 2) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Die Hilfebedürftigkeit entfällt erst bei tatsächlicher Aufnahme einer bedarfsdeckenden Beschäftigung (vgl. Berlit, info also 2003, 195 [198]; Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II [2. Aufl., 2008], § 9 Rdnr. 14;Sächsisches LSG,Beschluss v. 20.10.2008, - L 3 B 530/08 AS-ER).
Der insoweit notwendige Lebensunterhalt ist aber nicht bereits gedeckt, wenn auf Grund der aufgenommenen Beschäftigung, gegebenenfalls auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages, ein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht. Der Bedarf ist vielmehr erst gedeckt, wenn der Lohn tatsächlich zugeflossen ist.
Erst dann ist der Hilfebedürftige in der Lage, seine Aufwendungen für den Lebensunterhalt, wie die Ausgaben für Lebensmittel, Bekleidung, Unterkunft oder Fahrkosten zum Arbeitsplatz, aus eigenen Mitteln zu bestreiten und ist nicht mehr auf Leistungen der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende angewiesen.
Maßgeblich für die Feststellung, ob nach Erlass der streitgegenständlichen Bewilligungsbescheide eine Änderung eingetreten ist, so dass der Anwendungsbereich des § 48 SGB X eröffnet ist, ist der Zufluss des Arbeitsentgeltes, denn nur dieser kann zu einer Rechtswidrigkeit der gewährten Leistungen führen.
Maßgeblich ist dagegen nicht der Abschluss des Arbeitsvertrages, denn dieser lässt die Bewilligung der SGB II-Leistungen nicht teilweise rechtswidrig werden(vgl. LSG Hessen,Urteil v. 31.08.2012,- L 7 AS 312/11,Rdnr.27 ).
Da es sich bei einem Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht um einen für einen bestimmten Zeitraum sicher feststehenden Zufluss handelt, liegt auch bezogen auf den jeweiligen Bewilligungsbescheid durch die monatlichen Zahlungen eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen.
Die Zahlung von Arbeitsentgelt setzt nämlich als Gegenleistung die Erbringung einer Arbeitsleistung voraus, so dass monatlich aufgrund von Erkrankung, Erkrankung eines Kindes, unbezahlten Urlaubs, Kurzarbeit etc. Änderungen möglich sind. Letztlich sind auch Zahlungsausfälle seitens des Arbeitgebers trotz des bestehenden Anspruchs denkbar.
Maßgeblich bleibt daher stets der Zeitpunkt des Zuflusses, nicht dagegen die Vereinbarung eines entsprechenden Anspruchs in einem Vertrag. Es ist somit der Anwendungsbereich des § 48 SGB X eröffnet.
Entsprechend hat das Bundessozialgericht in seiner ständigen Rechtsprechung bei der Feststellung der Bedürftigkeit im Zusammenhang mit der Einkommensermittlung nach § 11 Abs 1 SGB II nicht darauf abgestellt, ob und gegebenenfalls wann ein Anspruch bestand, sondern zu welchem Zeitpunkt die Zahlung, in den zu entscheidenden Fällen das Arbeitsentgelt, tatsächlich zugeflossen ist.
Auch im SGB II ist das Erfordernis der aktuellen Verfügbarkeit von Mitteln zur Bedarfsdeckung gesetzlich verankert. § 9 Abs 1 SGB II bringt zum Ausdruck, dass Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht für denjenigen erbracht werden sollen, der sich nach seiner tatsächlichen Lage selbst helfen kann.
Entscheidend ist daher der tatsächliche Zufluss bereiter Mittel (BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 62/08 R,Rn 22;
Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II ist nach der Rechtsprechung der für Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG zur sog Zuflusstheorie grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält und Vermögen iS von § 12 SGB II, was er vor Antragstellung bereits hatte(BSG,Urteil v. 16.05.2012,- B 4 AS 154/11 R, Rn. 20).
Dabei ist nach § 11 SGB II im Falle der Erfüllung einer (Geld-)Forderung grundsätzlich nicht ihr Schicksal von Bedeutung, sondern es ist allein die Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert maßgebend (vgl zuletzt BSG,Urteil v. 16.05.2012,- B 4 AS 154/11 R, Rn. 20; BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; Urteile des 4. Senats des BSG vom 13.5.2009 - B 4 AS 49/08 R -, RdNr 12