Hartz IV: SG Berlin hat in die Glaskugel geschaut- Rückwirkend bzw. für noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Zeiträume sind hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Regelleistung keine höheren SGB II - Leistungen zu erwarten Prozesskostenhilfeantrag für Regelsatzklage ist wegen fehlender Erfolgaussichten abzulehnen - Rückwirkend bzw. für noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Zeiträume sind keine höheren SGB II- Leistungen zu erwarten, so die Rechtsauffassung des am heutigem Tage veröffentlichten Beschlusses des SG Berlin vom 06.12.2012 - S 96 AS 21253/12.
1. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 12. Juli 2012 - B 14 AS 153/11 R die Höhe der Regelleistung und den Weg ihrer Ermittlung als verfassungsgemäß angesehen. Diese Entscheidung war – jedenfalls in Form eines Terminsberichts - auch bereits bekannt, als die Bewilligungsreife für den vorliegenden Antrag eingetreten ist.
Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem der Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 26.10.2012, Az: L 12 AS 1689/12 B) zugrundeliegenden Fall. http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2...lsatzklage.html
Allein die Tatsache, dass unter dem Zeichen 1 BvL 10/12 ein Vorlageverfahren zu der vorliegenden Rechtsfrage anhängig ist, begründet eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht.
Dies gilt umso mehr als das vorliegende Klagebegehren auf die Gewährung höherer Leistungen gerichtet ist.
Selbst wenn man von einer gewissen Wahrscheinlichkeit ausgehen wollte, dass das Bundesverfassungsgericht die Ermittlung der Höhe der Regelsätze (erneut) beanstanden könnte, so kann das Klagebegehren doch nur erreicht werden, wenn das Bundesverfassungsgericht entweder selbst anordnet, dass höhere Leistungen auch rückwirkend bzw. für noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Zeiträume zu gewähren sind oder der Gesetzgeber in einer eventuell erforderlich werdenden Neuregelung eine solche Rückwirkung anordnet.
Dies ist jedoch in Hinblick auf die Vorgehensweise des Bundesverfassungsgerichts und des Gesetzgebers bei der Entscheidung über die "alten" Regelsätze nicht zu erwarten.
2. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen zu den "alten" Regelsätzen vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) bestimmt hat, dass "die Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Vorschriften und ihrer Nachfolgeregelungen bei Kostenentscheidungen zugunsten der klagenden Hilfebedürftigen angemessen zu berücksichtigen seien, soweit dies die gesetzlichen Bestimmungen ermöglichen" (BVerfG, a.a.O., Rn. 219).
Denn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kennt allein das Kriterium der hinreichenden Erfolgsaussichten. Diese beziehen sich auf die Hauptsache, in der das Bundesverfassungsgericht Leistungen rückwirkend gerade nicht zugesprochen hat.
Eine Kostenentscheidung im Sinne des zitierten Ausspruches des Bundesverfassungsgerichts ist die Prozesskostenhilfeentscheidung nicht und die gesetzlichen Bestimmungen ermöglichen (wegen des Kriteriums der Erfolgsaussicht) die vom Bundesverfassungsgericht angemahnte "angemessene" Berücksichtigung gerade nicht ( Anderer Auffassung Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Oktober 2012, Az: L 7 AS 1491/12 B). http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2...lsatzklage.html
3. Ebenso wenig lässt sich eine Erfolgsaussicht in Hinblick auf die Gewährung höherer Leistungen daraus herleiten, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2012 zu den Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes (Aktenzeichen: 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) eine Übergangsregelung dergestalt getroffen hat, dass die Höhe der Geldleistungen auch im Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes entsprechend den Grundlagen der Regelungen für den Bereich des SGB II und SGB XII zu berechnen seien und angeordnet hat, dass dies rückwirkend für nicht bestandskräftig festgesetzte Leistungen ab 2011 gelte und im Übrigen für die Zukunft, bis der Gesetzgeber seiner Pflicht zur Neuregelung nachgekommen ist.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf das Asylbewerberleistungsgesetz einen Anspruch auf höhere Leistungen auch für vergangene, noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Zeiträume angeordnet.
Dort ging es jedoch um die Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes, deren Leistungssätze teilweise erheblich hinter den hier streitgegenständlichen Leistungen zurückblieben.
Und das Bundesverfassungsgericht hat als Übergangslösung eine Anspruchshöhe gewählt, die noch nicht einmal ganz den hier vom Kläger für nicht ausreichend erachteten Leistungen entspricht.
Dies spricht aber gerade dafür, dass das Bundesverfassungsgericht diese Leistungen zumindest für so bemessen hält, dass sie geeignet sind, ein Leistungsniveau zu gewährleisten, das bis zu einer gesetzlichen Neuregelung als ausreichend anzusehen ist.
Dies spricht aber eindeutig dagegen, dass das Bundesverfassungsgericht für Leistungsberechtigte nach dem SGB II für zurückliegende oder laufende Zeiträume einen Anspruch auf höhere Leistungen selbst anordnen oder dies dem Gesetzgeber aufgeben wird (Anderer Auffassung Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. September 2012, Az: L 6 AS 1895/11 B). http://sozialrechtsexperte.blogspot.de/2...lsatzklage.html
Nach alledem war der Prozesskostenhilfeantrag wegen fehlender Erfolgaussichten abzulehnen (so im Ergebnis auch: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. August 2012, Az: L 18 AS 1908/12 B, sowie Beschluss vom 29. Februar 2012, Az: L 14 AS 206/12; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 27. Mai 2011, Az: L 7 AS 342/11 B PKH).
Anmerkung vom Taem des Sozialrechtsexperten:
Letztlich wird das BVerfG und nicht das SG Berlin zu entscheiden haben , ob der Gesetzgeber den von ihm postulierten hohen Anforderungen an die Ermittlung und Begründung der Regelbedarfe unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums gerecht geworden ist.
Der Beitrag wurde erstellt von Detlef Brock- Taemmitglied des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann.